Martina Ertl-Renz: Zwischen Fleischpflanzerl und Algensalat
Neben meinem Fokus auf die Wettbewerbe und vor allem auf das Abschneiden der deutschen Athleten der olympischen Spiele in Südkorea interessiere ich mich mittlerweile für das koreanische Essen. Im Blickpunkt meiner Erkundungen stehen dabei nicht nur die Zutaten, sondern auch die Geschichten rund um das Essen.
Mit Begeisterung habe ich erfahren, dass die Koreaner im Grunde genommen dreimal am Tag warm essen und dass in einem Essen immer fünf Geschmacksrichtungen vertreten sein sollten. Auch dass sich Esskultur und zwischenmenschliches Verhalten verbinden, hat seinen Reiz. So bedienen zum Beispiel am Tisch die jüngeren die älteren Menschen. Die Vorstellung, dass ich von meinen Kindern die Speisen angeboten bekomme, dass vorgelegt wird und nachgefragt wird, ob ich noch etwas haben möchte, gefällt mir kolossal gut.
Weiterhin gibt es bei Tisch Rituale, die mit der Ehrerbietung des einen gegenüber dem anderen korrespondieren. Wenn man sein Gegenüber sehr schätzt, sollte man den Krug, den man aufnimmt, um das Glas seines Gastes zu füllen, mit beiden Händen greifen, um so die Ehrfurcht und den Respekt vor dem anderen zu zeigen. Vor meinem geistigen Auge sehe ich meinen Ehemann beim Einschenken des Weines in mein Glas, glückselig lächelnd, die Weinflasche beidhändig führend. Auch dieser Gedanke verzückt und lässt in mir den Entschluss reifen, zumindest an einem der nächsten Tage mal olympisch-koreanisch zu kochen.
Mit Stäbchen essen wäre schon interessant und nebenbei auch eine feinmotorische Schulung, die am Ende des Tages vielleicht sogar das Skifahren der Kinder im positiven Sinne koordinativ beeinflusst. Die Gretchenfrage ist natürlich, was auch auf den Tisch kommen soll, wenn die gesamte Familie ihren kulinarischen Spaß haben soll.
Registriert habe ich mit großer Aufmerksamkeit, dass bei den Koreanern Nudeln und Reis genauso auf dem Speisezettel stehen wie bei uns, dass diese Beilagen allerdings erst nach dem Hauptgang mit Fleisch oder Fisch und Gemüse gereicht werden. Sich über den Hauptgang Gedanken zu machen, erscheint demnach vorrangig bedenkenswert.
Ich beginne in einem koreanischen Kochbuch zu blättern und überlege, zu welchen Geschmackserlebnissen mein Mann und meine Kinder kommen, wenn Ihnen Distelsuppe oder Algensalat serviert wird. Auch logistische Anforderungen müssen offensichtlich bedacht sein: wo bekomme ich Bambussprossen und Sesamblätter in der geforderten Qualität? Reizvoll klingt das Rezept mit den Rippchen vom Schwein und vom Rind mit sieben verschiedenen Beilagen, aber wird mein Mann den sauer angemachten Salat mögen.
Ich entscheide mich für einen Zwischenschritt, heute gibt es bei uns Fleischpflanzerl und wir gehen übermorgen mal koreanisch essen.
Herzlichst,
Ihre Martina Ertl-Renz
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