Martin Schmitt: Der letzte Flug des lila Helms
Geschieht kein Wunder, dann wird Martin Schmitt in Garmisch-Partenkirchen zum letzten Mal als Profi-Skispringer antreten. Hype, Verletzungen, Absturz – seine Sportkarriere bleibt einzigartig.
GARMISCH-PARTENKIRCHEN Wenn es dumm läuft, endet am Dienstagnachmittag im altehrwürdigen Skisprungstadion von Garmisch-Partenkirchen eine der größten deutschen Sport-Karrieren. Scheitert Martin Schmitt in der Qualifikation für das Neujahrsspringen, so ist der letzte Tag des Jahres wohl auch sein letzter als Skisprung-Profi.Für das Auftaktspringen der Vierschanzentournee in Oberstdorf hatte er sich mit Müh und Not qualifiziert, doch für den zweiten Durchgang hat es dann schon nicht mehr gereicht.
Seine jüngeren Kollegen überzeugten ebenfalls kaum: Marinus Kraus auf Rang acht oder Severin Freund als Zehnter etwa. Die Zeit, sie scheint jedenfalls an dem bald 36-Jährigen Schmitt nur so vorbeizurauschen. Ein Rückblick:
Die Erfolge: Von 1998 bis 2001 gehörte der Schwarzwälder zur absoluten Weltspitze. Er holte 28 Weltcupsiege, gewann zweimal den Gesamtweltcup (1998/99, 1999/2000), heimste neun WM-Medaillen ein (darunter vier goldene), gewann bei Olympia einmal Gold und zweimal Silber und holte bei der Skiflug-WM einmal Silber. 1999 stellte er mit 214,5 Metern auch noch einen neuen Skiflugweltrekord auf. Nur der Sieg bei der Vierschanzentournee blieb ihm stets verwehrt – beim traditionsreichen Hochamt der Skispringer landete er zwei Mal auf Platz drei. Dennoch können aus Deutschland nur Sven Hannawald und Jens Weißflog mit einer ähnlich eindrucksvollen Bilanz wie Martin Schmitt aufwarten.
Der Hype: So erfolgreich der Sachse Weißflog in den 80er und 90er Jahren auch sein mochte, eine derart gewaltige Begeisterungswelle wie Schmitt im Verbund mit Hannawald vermochte er nicht annähernd auszulösen. Die zwei schmalen Bubis aus dem Schwarzwald entwickelten sich in Windeseile zu den Posterboys des Wintersports. Vor allem um Schmitt (Sponsor: Milka) war der Hype gigantisch: Bei den Wettkämpfen segelte er einem komplett lilabemützten Publikum entgegen; kreischende Teenager forderten per Plakat „Martin, ich will ein Kind von dir!“ Als Schmitt in der Saison 1999/2000 den Gesamtweltcup gewann, wurde in seiner Heimatstadt Furtwangen die Südtangente in Martin-Schmitt-Straße umbenannt. Skispringen avancierte zum beliebtesten TV-Sport der Deutschen. Die Quoten erreichten damals ungeahnte Höhen. 1999 wurde Schmitt gleich zweimal zum Sportler des Jahres gekürt: als Einzelsportler und mit der Mannschaft.
Der Abstieg: Der letzte Weltcupsieg gelang Schmitt in Lathi – am 1. März 2002, vor einer halben Ewigkeit; Rudi Völler war damals Fußball-Bundestrainer. Zahllose Verletzungen ließen den erfolgsverwöhnten Überflieger zum Hinterbänkler werden, doch immer wieder raffte sich Schmitt zu Comebacks auf. Beim Heimweltcup in Titisee-Neustadt stürzte er 2007 schwer, zog sich eine Gehirnerschütterung, eine Platzwunde am Kinn und eine Kieferstauchung zu. Drei Jahre später pausierte er wegen eines Erschöpfungssyndroms. Über den Continental-Cup, die zweite Liga hinter dem Weltcup, kämpfte er sich wieder an die Spitze heran. Olympia 2014 war nun seine große Motivation, noch ein Jahr weiterzumachen. Es wären seine fünften Spiele. Doch dafür braucht es in Garmisch nun fast schon ein Wunder.