Marco Sturm: Wir waren eine Einheit, da hat alles gepasst

Seit November arbeitet Marco Sturm in der NHL für die L.A. Kings. Aktuell befindet sich der einstige Bundestrainer auf Heimatbesuch. Hier spricht er über sein neues Leben – und das deutsche Eishockey.
München - Marco Sturm (40) war einer der besten Eishockey-Spieler Deutschlands. Von 2015 bis 2018 trainierte er das Nationalteam und holte Olympia-Silber in Pyeongchang.
AZ: Herr Sturm, im November ging es schnell. Sie haben Ihren Posten als Bundestrainer aufgegeben und sind als Co-Trainer zu den Los Angeles Kings gewechselt. Zurück in die NHL. Was waren die Beweggründe?
MARCO STURM: Das waren aufregende Wochen. Der Anruf kam für mich zu diesem Zeitpunkt doch ein bisschen aus dem Nichts, und es musste sehr schnell gehen. Speziell für einen Europäer ist es sehr schwierig, in der NHL ins Trainergeschäft reinzukommen. Deshalb wollte ich diese Chance nutzen und die neue Herausforderung annehmen.
Sie haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass Sie die NHL auch als Trainer reizen würde.
Für mich war ziemlich schnell alles klar. Aber es gibt auch noch andere Dinge zu beachten. Ich hatte einen laufenden Vertrag als Bundestrainer, habe eine Familie mit zwei Kindern. Mit der Familie waren wir einig, dass wir diesen Schritt machen wollen, und auch dem DEB bin ich dankbar, dass er mich freigegeben hat.
Sturm: "Für mich war es schön, in der alten Umgebung zu sein"
Ihre Kinder wurden in den USA geboren, Amerika ist ohnehin deren Heimat.
Richtig. Die Kinder wollten wieder in die Staaten, in ihre gewohnte Umgebung. In den paar Jahren in Deutschland hat man gemerkt, dass sie sich schwergetan haben. Für sie war es der richtige Weg, sie werden nun auf jeden Fall die Schule drüben fertigmachen. Für mich ist es enorm wichtig, eine so starke Familie zu haben, die das alles mitmacht. Denn es ist nicht immer alles schön und einfach in diesem Geschäft.
Wie war für Sie persönlich der Start bei den Kings?
Für mich war es schön, in der alten Umgebung zu sein. Es hat sich zum Teil nichts verändert, dadurch musste ich mich nicht großartig umstellen. Auf der anderen Seite hat sich im Eishockey drumherum viel getan, und ich habe eine gewisse Zeit gebraucht, bis ich richtig drin war.
Für die Kings lief die Saison alles andere als gut.
Der Klub hat 2012 und 2014 den Stanley Cup gewonnen. In der Folge wollte man unbedingt den dritten Titel holen und hat dadurch über die Jahre viele junge Spieler verloren. Das hat sich in diesem Jahr gerächt. Die Spieler werden auch älter, und das Eishockey ist schneller geworden. Man hat den Sprung ein bisschen verpasst. Jetzt wird versucht, sich neu aufzustellen. Es war für uns jetzt ein Sommer in die richtige Richtung, auch wenn es in kleinen Schritten geht.
Sturm: "Von Todd McLellan kann ich enorm viel lernen"
Wie sehen Ihre Aufgaben aus?
Letztes Jahr war ich etwas mehr für die Defensive verantwortlich, was eigentlich nicht geplant war. Jetzt mit dem neuen Trainer ist klar, dass ich für die Stürmer und das Powerplay zuständig bin. Das ist genau das, wo ich mich wohlfühle und was mir am meisten Spaß macht, gerade das Powerplay.
Mit Todd McLellan kommt ein neuer Head Coach. Wie ist der bisherige Austausch?
Ich war bis zum 1. Juli in den Staaten, da hatten wir sehr viele Meetings. Ich bin total begeistert. Man merkt sofort, dass er längere Zeit im Geschäft dabei ist. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit und glaube, dass ich enorm von ihm lernen und profitieren kann.
War die Umstellung für Sie schwierig vom Bundestrainer zum Co-Trainer?
Nein, das war nicht schlimm. In einem Trainerteam in der NHL zu arbeiten, war neu für mich. Ich bin reingeworfen worden und musste noch viel lernen. Bei vier Spielen pro Woche war sehr viel los, da gab es viel Arbeit und wenig Schlaf. Deshalb ist der Co-Trainerposten für mich zum Einstieg das Richtige.
Sturm: "Die NHL ist noch einmal eine andere Liga"
Wie sieht es mit Ambitionen aus, auch einmal als Cheftrainer in der NHL zu arbeiten?
Dafür gibt es keine Deadline, vielleicht passiert es gar nicht. Ich habe jetzt einen Trainer, unter dem ich sehen kann, woran ich noch arbeiten muss, um Head Coach zu werden. Deshalb freue ich mich, von ihm zu lernen. Die NHL ist noch einmal eine andere Liga. Wenn man im Fußball erst Bundesliga und dann auf einmal Champions League spielt, ist es etwas anderes. Ebenfalls neu war für mich, mit Superstars umzugehen. Das unterschätzen viele. Deshalb werde ich eine gewisse Zeit brauchen.
Was macht den Umgang mit Superstars so speziell?
Man muss erkennen, wie der Spieler tickt. Sie sind keine normalen Spieler. Die Superstars braucht der Trainer, das Team, die gesamte Organisation. Deshalb ist es sehr wichtig, den Kontakt so gut wie möglich zu halten. Wenn das nicht passiert, bekommt man vielleicht nicht alles aus ihnen heraus. Wenn es im Sport gut läuft, braucht man sich keine großen Sorgen zu machen. Aber wenn man viele Niederlagen hat, gibt es Unzufriedenheit. Dann ist es umso wichtiger, eine gute Verbindung zu den Top-Spielern aufrecht zu erhalten.
Haben Sie in der neuen Funktion das deutsche Eishockey verfolgt?
Weniger. Ich war viel unterwegs, es war stressig. Erst bei der WM hatte ich mehr Zeit, mich zu informieren. Ich bin froh, dass Deutschland eine tolle WM gespielt hat und es für Toni Söderholm ein guter Start war. Ich bin glücklich, dass der Weg, den wir eingeschlagen haben, weitergegangen wird. Mir hat die Zeit bei der Nationalmannschaft sehr viel Spaß gemacht, und sobald meine Spieler, mein Staff Erfolg haben, macht mich das glücklich.
Sturm: "Wir waren eine Einheit, da hat alles gepasst"
Gab es einen Austausch mit Ihrem Nachfolger Söderholm?
Wir haben ein paar Mal vor der WM telefoniert und uns letzte Woche in München getroffen. Toni war ja schon gemeinsam mit mir bei der U20-WM, dadurch kannte ich ihn schon. Es ist immer wieder ein kleiner Austausch da, aber letztendlich trifft er jetzt die Entscheidungen, und er macht das gut.
Wenn Sie auf die über drei Jahre als Bundestrainer zurückblicken: Was blieb hängen?
Sehr viel. Man spricht immer über Olympia und die Silbermedaille. Aber hängen bleibt vor allem die schöne Zeit, die wir zusammen hatten. Zusammen ist ein Wort, das nicht nur für mich wichtig war, man hat es bei jeder Maßnahme gefühlt. Wir waren eine Einheit, da hat alles gepasst. Dank meiner Spieler, meines Staffs und des großen Zusammenhalts hat jede Maßnahme und jedes Turnier einfach Spaß gemacht. Deswegen kam auch der Erfolg.
Was wünschen Sie sich für die das deutsche Eishockey?
Das ist klar: Dass mehr Deutsche in der DEL spielen. Ich denke, da ist enormes Potenzial vorhanden. Es sollte generell unser Ziel sein, dass wir in Zukunft eine gute Liga und eine gute Nationalmannschaft haben. Andere Länder haben uns das vorgemacht, die machen enorm Druck. Deshalb müssen wir dranbleiben, dass wir auch in Zukunft viel Freude haben.
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