„Man muss schon bekloppt sein“

Zugegeben: Um beim Skeleton wie Anja Huber den Eiskanal hinab zu rasen, braucht es eine gehörige Portion Mut. In Berchtesgaden können sich auch Anfänger in dem spektakulären Sport versuchen
Sebastian Schulke |
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Foto: Rutger Pauw

München - Ihre Mutter schlägt die Hände über dem Kopf zusammen, als Anja Huber mit gerade einmal fünf Jahren neben dem Eiskanal in Königsee steht, einen Rodel-Weltcup gebannt verfolgt und plötzlich vor sich hin murmelt: „Das will ich auch mal machen.“ Durch die Eisrinne schießen? Um Gottes Willen!


Ein Jahr später, 1989, liegt Anja auf einem Rennrodel, steigt 2003 auf einen Skeleton-Schlitten um und zählt heute zu den erfolgreichsten und schnellsten Pilotinnen der Welt, die sich mit dem Kopf voraus in einen Eiskanal stürzen. „Man muss schon etwas bekloppt sein", sagt die 28-jährige Berchtesgadenerin grinsend, „sonst kommt man nicht weit im Skeleton.“

Skifahren oder Motorsport sind nach Anja Hubers Meinung zwar nicht weniger gefährlich, als die Raserei durch den Eiskanal. Aber man müsse schon seinen Schweinehund überwinden, wenn man oben am Start steht, mit voller Kraft lossprintet, sich kopfüber auf seinen Schlitten schmeißt und dann mit bis zu 145 km/h Richtung Ziel rauscht. „In manchen Kurven herrschen gewaltige Fliehkräfte, da lastet schon mal das sechsfache des eigenen Körpergewichts auf einem“, sagt Huber. „Wir sind die Düsenjet-Piloten auf Eis.“

Doch der eisige Düsenjet-Sport ist nicht nur etwas für absolute Freaks. Immer mehr Jungs und Mädels interessieren sich für Skeleton. „Der RC Berchtesgaden, mein Heimatverein, hat keinerlei Nachwuchsprobleme“, sagt Huber und betont: „Skeleton ist genau das, was viele Jugendliche heute wollen: jede Menge Action, Tempo und Nervenkitzel. Wie eine Achterbahnfahrt. Man muss allerdings nicht so früh anfangen wie ich.“

Elf Jahre seien ein gutes Alter, um mit Rennrodeln oder Skeleton anzufangen, meint die Doppel-Weltmeisterin. Dann habe man körperlich beste Voraussetzungen für diese doch relativ komplexen Sportarten, die den gesamten Körper beanspruchen: Neben Schnellkraft am Start ist ein sehr gutes Körpergefühl und Aerodynamik im Eiskanal gefragt. Und die hohen Fliehkräfte und Geschwindigkeiten erfordern eine tadellose Fitness. Wenn Anja Huber übrigens einmal nicht durch die Eisrinne schießt, sitzt sie gerne auf ihrem Motorrad, ganz allein. „Die Landschaft genießen und einfach abschalten“, sagt sie. „Dabei gebe ich allerdings nicht Vollgas.“

Auch absolute Anfänger können sich kopfüber in die Eisrinne am Königssee stürzen und eine Probefahrt auf einem Skeleton-Schlitten absolvieren. „Man muss sich nur beim deutschen Bob- und Schlittenverband in Berchtesgaden anmelden und mit einem Trainer einen Termin vereinbaren“, sagt Huber. Schlitten und Helm würden gestellt. Für robustes Schuhwerk und warme Winterkleidung müsse man selbst sorgen.

Anja Huber sorgt und kümmert sich besonders im Sommer um ihr Rennmaterial. „Beim Skeleton wird extrem viel gebastelt“, meint sie, „wie bei den Rodlern. Ich verbringe im Sommer viel Zeit in der Werkstatt und im Windkanal, feile an meinem Schlitten, Rennanzug und Helm herum.“

Um bei der Weltmeisterschaft, die seit Montag in Lake Placid (USA) läuft, zum dritten Mal Gold zu gewinnen? Huber: „Das wäre natürlich ein Traum.“

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