Luis in Tici-Taca-Land

Trillerpfeife, Ausfälligkeiten und eine äußerst ungewöhnliche Taktik: Wie Spaniens kauziger Trainer Aragones Deutschland besiegen will.
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Luis Aragones ist fast 70 Jahre alt und nichts versetzt ihn mehr in Wallung als Fußball.
sampics/Augenklick Luis Aragones ist fast 70 Jahre alt und nichts versetzt ihn mehr in Wallung als Fußball.

Trillerpfeife, Ausfälligkeiten und eine äußerst ungewöhnliche Taktik: Wie Spaniens kauziger Trainer Aragones Deutschland besiegen will.

NEUSTIFT Luis Aragones ist fast 70 Jahre alt und nichts versetzt ihn mehr in Wallung als Fußball. Jeder einzelne Pass regt ihn auf. Er steht auf dem Trainingsplatz, schlägt sich unaufhörlich mit der Kordel seiner Pfeife auf den Oberschenkel. So, als müsse er sich in jeder Sekunde selbst antreiben. Das Bemerkenswerteste am Nationaltrainer der Spanier ist: Sein Ruf interessiert ihn nicht. Egal, wie der ausfällt.

Besonders nett klang das fast nie in den vier Jahren, seit er Nationaltrainer ist. „Kauz" nennen ihn die einen, „Rassist" schimpften ihn andere. Oft stand er kurz vor der Entlassung, er blieb immer und setzte sich gegen seine Kritiker durch. Es wurde über seine Depressionen berichtet, die ihn in den 80er Jahren heimsuchten. Über seine Spielsucht, die ihn immer wieder in Versuchung führte und, die heute Vergangenheit ist. Und es wurde über seine Schimpfkanonaden erzählt, die so legendär wie zweifelhaft sind, am Ende rau wirken aber harmlos gemeint sind.

Der Architekt der spanischen Mannschaft, die nach 24 Jahren wieder ein EM-Finale erreicht hat und es sogar gewinnen kann, legt es sogar darauf an, mit kernigen Sprüchen im Rampenlicht zu stehen, dabei zählt für ihn nur der reine Fußball und seine Begleitumstände verabscheut der ehemalige Profi – der mit seinen großen Ohren, seiner Brille und seinen grauen Haaren wirklich wie ein „kauziger Opa" aussieht.

Dass sich hinter der Fassade ein absoluter Fußballfachmann versteckt, bleibt oft verborgen. Der „Weise von Hortaleza" (ein Vorort von Madrid) müht sich nicht, sein wahres Gesicht zu zeigen. Eine Auswahl von Ereignissen zeigt: Luis Aragones ist etwas Besonderes, der die besondere Mannschaft der Kurzpass-Künstler schuf, die 20 Mal hin und her spielen kann, bevor der tödliche Pass kommt. Sein Spielsystem der kurzen Pässe nennt er übrigens „Tici-Taca“.

2006 zur Begrüßung bei der WM in Deutschland erhielt er am Flughafen einen Blumenstrauß, der im nächsten Mülleimer landete. Solch weibisches Zeug sei bei ihm fehl am Platze. Vor knapp zwei Jahren zeigte er einem seiner Spieler auf dem Trainingsplatz den Stinkefinger, weil ihm dessen Trainingsleistung nicht gefiel. Aragones war damals 68. „Ruben", brüllte er während der EM einmal auf dem Trainingsplatz, „bei der Mutter, die dich gebar!" Vor einer Pressekonferenz in der Qualifikation schrie er „Hurenmutter", weil er über Kabel der Beleuchter gestolpert war.

2005 kam es noch schlimmer. Aragones wurde vom spanischen Verband zu einer Geldstrafe von 3000 Euro verurteilt. Die Strafe wurde in zweiter Instanz allerdings ausgesetzt. Was er seinem Stürmer Jose Reyes genau auf dem Trainingsplatz zurief, wird unterschiedlich wieder gegeben. Jede Version allerdings hat es in sich und jedes Mal war der dunkelhäutige Franzose Thierry Henry gemeint. Einmal heißt es, er habe um Reyes zu motivieren gesagt: „Du bist besser als diese schwarze Sch..." Dann wieder: „Zeig es diesem Sch...-Schwarzen." Aragones hat Prügel dafür einstecken müssen, weil Mikrofone seine Entgleisungen auffingen.

Seine Art aber hat er nicht geändert. Er gibt keine unflätigen Kommentare mehr in Richtung Henry ab, aber er bleibt sich treu. Italiens Mittelfeldkämpfer Gattuso provozierte er mit der Aussage: „Wenn Gattuso eines von Italiens Aushängeschildern ist, dann bin ich ein Pfarrer. Gattuso ist ein großer Kämpfer, aber nicht mehr."

Nach der EM übrigens, Ende Juli wird er 70, geht Luis Aragones das erste Mal ins Ausland. Er hat einen Zweijahresvertrag bei Fenerbahce Istanbul unterschrieben.

Oliver Trust

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