Lauter alte Bekannte
KLAGENFURT - Wieder mal machen deutsche Hooligans bei einem Länderspiel Ärger. 136 der 140 am Sonntag Festgenommenen sind wieder frei. Die AZ klärt die wichtigsten Fragen zu dem Skandal.
Massige Kerle mit geschorenen Schädeln, am Nacken oder Oberarm fragwürdige Tätowierungen. „HH" ist da eingestochen, „88", Erkennungszeichen der Rechtsradikalen. So sahen viele der 140 Sonntag in Klagenfurt verhafteten deutschen Hooligans aus. Festgenommen, weil sie vor dem 2:0 der DFB-Elf gegen Polen rechtsradikale Parolen grölten („Deutsche wehrt euch, kauft nicht bei Polen!"). Und weil sie auf heran schreitende Polizisten losgehen wollten. Die AZ klärt die wichtigsten Fragen zum Skandal.
Was ist passiert?
Rund 200 Deutsche sollen gegen 20 Uhr durch die weitgehend ausgestorbene Innenstadt von Klagenfurt gezogen sein. Offensichtlich seien sie nicht mehr in die volle Fanmeile gekommen, wie ein Polizeisprecher berichtet. Irgendwann „begannen einige in der Gruppe, irgendwelche Parolen zu grölen", sagt Alexander Berg, ein Fan, der die Verhaftung beobachtet hat, der AZ. Vor allem im vorderen Teil der Gruppe seien Neonazis gewesen. Als die Polizei einschritt, sei es dort beinahe zu Schlägereien gekommen. Die Polizisten kesselten die Gruppe ein und nahm anschließend 140 Menschen in Gewahrsam.
„Die meisten haben sich widerstandslos festnehmen lassen", berichtet Berg, die Polizei sei beim Einkesseln außerdem sehr behutsam vorgegangen. Die Festgenommenen bekamen Anzeigen wegen Landfriedensbruch, am Montag wurden 136 wieder auf freien Fuß gesetzt. Allerdings stünden sie noch unter Beobachtung.
Waren die Behörden auf die Neonazis vorbereitet?
„Offensichtlich", sagt Fanforscher Gunther Pilz zur AZ, „denn große Auseinandersetzungen hat es ja nicht gegeben.“ Rund 2500 Polizisten, davon 200 deutsche, waren im Einsatz. Ein Großteil der Verhafteten sei der Polizei vorher bekannt gewesen, sagt DFB-Sicherheitschef Helmut Spahn. Lauter alte Bekannte also. Die Polizisten hätten die Gruppe stundenlang beobachtet, bevor man sich schließlich nach den Hetzparolen entschloss, sie aus dem Verkehr zu ziehen. Spahn: „Die Maßnahme war klar deeskalierend."
War es das erste Mal, dass Neonazis bei der Nationalmannschaft auffällig wurden?
Nein. Beim Länderspiel in Slowenien am 26. März 2005 zeigten deutsche Fans im Stadion den Hitlergruß und sangen das Horst-Wessel-Lied. Vor dem Spiel hatte es schon schwere Ausschreitungen in der Innenstadt von Ljubljana gegeben. Auch an den schweren Krawallen während der WM 1998 in Lens, bei der der Polizist Daniel Nivel beinahe tot geprügelt wurde, waren Neonazis beteiligt. „Man artikuliert sich mehr im Ausland, weil man da mehr Aufmerksamkeit erregt", sagt Fanforscher Pilz, „internationale Großveranstaltungen haben eine Sogwirkung, auch wenn nur, wie am Sonntag, 140 Menschen beteiligt sind."
Hat der Vorfall etwas mit der antideutschen Kampagne polnischer Medien zu tun?
„Ich denke, das war auch eine Antwort auf die blödsinnige Kampagne der polnischen Boulevardpresse", sagt Pilz. Die Festgenommenen „haben nicht so ausgesehen wie klassische Hooligans", sagt Berg, „das waren eher rechte Fußballfans. Die haben sich noch nach der Festnahme über den Spielstand informiert."
Lässt sich so etwas in Zukunft vermeiden?
Grundsätzlich nicht, glaubt Pilz. „Wir können den Leuten ja schlecht den Reisepass entziehen", meint DFB-Sicherheitschef Spahn. „Allein das Wissen, dass jemand gewaltbereit ist, reicht nicht für eine Zurückweisung an der Grenze aus." Der DFB könne nur dafür sorgen, dass bekannte Hooligans oder Menschen mit Stadionverbote auch während der EM keine Tickets bekommen.
Am Sonntag sollen von den rund 40000 polnischen und deutschen Fans in Klagenfurt lediglich 6000 eine Karte für das Spiel gehabt haben. Pilz nimmt an, die Unruhestifter seien keine Hooligans gewesen, die nur um des Randalierens willen angereist waren. Sondern eher Fußballfans mit mit rechter Gesinnung. Pilz: „Am wirkungsvollsten vermeidet man so etwas, wenn man diese Menschen anspricht: ,Was soll das, warum sagt ihr sowas?’“ Ob das ausreicht, um Chaoten zur Räson zu rufen?
F. Cataldo, F. Kinast, T. Klein