Kohlschreibers Krise: „Zack! Bumm! Niederlage!“

Beim Augsburger Philipp Kohlschreiber, einst Hoffnungsträger des deutschen Tennis, reiht sich eine Pleite an die andere. Nach dem frustrierenden Erstrunden-Aus in Roland Garros ist der 27-Jährige komplett ratlos.
von  Jörg Allmeroth

PARIS Beim Augsburger Philipp Kohlschreiber, einst Hoffnungsträger des deutschen Tennis, reiht sich eine Pleite an die andere. Nach dem frustrierenden Erstrunden-Aus in Roland Garros ist der 27-Jährige komplett ratlos.

Auf dem Außencourt 7 zeichnete der glückliche Zwei-Meter-Riese Sam Querrey gerade ein Autogramm auf die Sternenbanner-Flagge eines amerikanischen Landsmannes, da marschierte hinter ihm Philipp Eberhard Hermann Kohlschreiber mit geschultertem Tennisbag zum Ausgang. Aus den Augenwinkeln musterte Querrey für einen Moment seinen geschlagenen Rivalen aus Deutschland, sah fast besorgt aus, so, als glaubte er, Kohlschreiber könne unter der Last des Gepäcks zusammenbrechen. Doch tief hängende Schultern und ein Not-und-Elendsblick sind nichts Ungewöhnliches in diesen bitteren Tennistagen bei Kohlschreiber, in der schwersten Phase einer Tourkarriere, die im Spieljahr 2011 leider den völlig falschen Dreh bekommen hat.
„Ich komme im Moment nicht raus aus diesem Schlamassel“, sagte Kohlschreiber nach dem ersten und einzigen French-Open-Auftritt gegen Gewaltaufschläger Querrey.
Wie im falschen Film sah der blasse, uninspirierte Augsburger aus, der in der laufenden Saison keinen Halt und Boden findet und mit seinem gegenwärtigen Weltranglisten-Platz 42 noch gut bedient ist. Wo Kohlschreiber selbst vor zwei Jahren noch gute Hoffnungen weckte, als er hier in Paris erst im Achtelfinale vom spanischen Weltklasse-Mann Tommy Robredo gestoppt wurde, herrschten nun bloß noch Tristesse und Trostlosigkeit.
2009 hatte er übrigens vor seinem Ausscheiden noch einen gewissen Novak Djokovic in der dritten Runde mit 6:4, 6:4 und 6:4 geschlagen. Der ist nun ein ganz anderer Tennisspieler, Kohlschreiber aber leider auch.
Während sich ein langjähriger Weggefährte wie Florian Mayer immer weiter nach vorn entwickelt und selbst eine schwere Sinnkrise meisterte, droht Kohlschreiber in der Belanglosigkeit zu versinken. Zwei, drei vorzeigbare Siege in den ersten fünf Monaten des Tourgeschehens sind die bittere, dürftige Bilanz des Mannes, der momentan meist mit Leidensmiene durch die Welt geht.
„Was soll ich machen? Ich weiß auch nicht, was da los ist“, sagt Kohlschreiber, sich selbst und seiner Entourage ein einziges Fragezeichen. Selbst die sportliche Neuorientierung zu Saisonbeginn, mit dem Abschied aus der Oberhaching TennisBase und der Verpflichtung des Schotten Miles McLagan als neuem Coach, brachte keinen Fortschritt.
Im Gegenteil: Der Abwärtssog verstärkte sich zuletzt bedrohlich, kein bisschen nachhaltiges Selbstbewusstsein ist Kohlschreiber noch geblieben. Spiele, die der 27-Jährige zunächst zu beherrschen scheint, so wie auch gegen den Amerikaner Querrey, nehmen urplötzlich einen total verkehrten Lauf. „Aus heiterem Himmel geht dann gar nix. Zack! Bumm! Wieder eine Niederlage!“, sagt Kohlschreiber, der am Ende seiner jüngsten French- Open-Pleite wie paralysiert über den Platz taumelte, völlig unfähig, das Drama noch aufhalten zu können.
Selbst dem Sportwart des Deutschen Tennis-Bundes, dem Koblenzer Heinz Wagner, stand leichtes Entsetzen ins Gesicht schrieben, als er Kohlschreiber so verlieren sah: „Eigentlich kann das nicht wahr sein. Er hat doch so viel Potenzial.“
Kohlschreibers Verunsicherung sitzt tief. Und ist offensichtlich für jeden Gegner, der sich den saft- und kraftlosen Deutschen und dessen Körpersprache betrachtet. Auch gegen Querrey schleppte sich der Augsburger matt über den Court, wirkte manchmal apathisch, nie jedoch feurig beseelt und leidenschaftlich engagiert. „Eine schöne Situation ist das nicht“, sagte er hinterher und wünschte sich, „irgendwie einen kompletten Neuanfang“ unternehmen zu können. Auf seiner Webseite wirkte derweil der letzte Blog-Eintrag fast schon unfreiwillig komisch: „Weltmeister“ stand da zu lesen, zum Auftritt der deutschen Mannschaft in Düsseldorf mit ihm, mit Kohlschreiber. Wo genau er wirklich steht zurzeit im Welttennis, hat Kohlschreiber nun bei den French Open erfahren, eine angenehme Begegnung mit der Realität war das aber nicht.

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