Julius Brink: "Dem Wahnsinn nahe"
AZ: Herr Brink, sind die Glückshormone am Morgen nach dem phänomenalen Halbfinalsieg gegen die Holländer immer noch im Körper?
JULIUS BRINK: Klar, ich bin immer noch ähnlich euphorisiert wie Dienstagnacht. Ich bin so happy, ich konnte kaum schlafen. Aber richtig begreifen, was hier passiert, das werden wir wohl erst in einigen Wochen oder Monaten, wenn wir spielfrei haben und sich die Dinge setzen.
Hatten Sie denn Zeit, ein bisschen zu feiern?
Kaum, ich musste ja noch zur Dopingkontrolle, und das dauerte, bis ich da raus war. Danach habe ich mich ganz komisch gefühlt: Müde, aber trotzdem total aufgekratzt. Das ist ein Zustand, der ist dem Wahnsinn nahe.
Sie haben den größten Erfolg in der Geschichte des deutschen Beachvolleyballs perfekt gemacht. Was bedeutet Ihnen das?
Ehrlich gesagt schaue ich in erster Linie auf uns. Es ist eine Wahnsinns-Sache, ein Olympisches Finale erleben zu dürfen. Alles andere ist Beiwerk, auch wenn das für unseren Verband ebenfalls ein Riesen-Erfolg ist.
Es ist verblüffend, mit welcher Ruhe und Souveränität Ihr Partner und Sie Ihren Job verrichten.
Unser Timing ist perfekt, wir sind jetzt, wo es darauf ankommt, mit unserem Spiel genau da, wo wir immer hin wollten.
Ihr Spiel wirkt hier in London regelrecht unterkühlt. Dabei kennt Sie die Szene als brodelnden Vulkan.
Dieser Eindruck ist richtig. Aber der Schein trügt. So obercool, wie ich über das Feld schlurfe, bin ich in Wirklichkeit gar nicht. Das ist eine unglaubliche schauspielerische Leistung von mir.
Es ist noch ein Schritt bis zur Goldmedaille – allerdings ein gewaltiger.
Richtig, schließlich spielen wir gegen den Weltmeister aus Brasilien. Das ist ein Pfund, aber es war vorher klar, dass im Finale ein Kracher wartet. Da sind die Rollen klar verteilt. Doch wenn wir wieder unsere Form bringen, wird es ein enges Spiel. Und dann schauen wir mal.
Der Veranstaltungsort und die Atmosphäre der Horse Guards Parade werden gerühmt, aber Sie haben auch Kritik an der Organisation geübt.
Es stimmt, die Kulisse hier in London ist weltklasse. Aber es kann nicht sein, dass der Volleyball-Weltverband die Spiele so kurzfristig terminiert, dass sich Teams nicht mehr vernünftig vorbereiten können. Das ist katastrophal und völlig unprofessionell. Ich verstehe, dass die Fernsehanstalten ihre Ansprüche anmelden, aber die Spieler und ihre Bedürfnisse müssen immer im Mittelpunkt stehen. Und das ist hier nicht der Fall.
Können Sie Ihre Kritik konkretisieren?
Vor dem Achtelfinale der beiden deutschen Frauenteams dauerte es bis nachts um eins, bis die Ansetzung stand. Und dann ist das Spiel noch kurzfristig von zehn Uhr auf neun Uhr morgens vorverlegt worden, wovon die Spielerinnen mitten in der Nacht erfahren haben. Die Folge war, dass sie kaum bis gar nicht schlafen konnten. Ich empfinde so etwas als Riesen-Sauerei. Solche Schlampigkeiten dürfen einem Verband nicht passieren.
Sie haben im Laufe des Turniers das schöne Bild von den Kronjuwelen im Tower of London gefunden, die es zu erobern gelte. Wie weit sind Sie auf Ihrem Beutezug?
Wir sind jetzt drin im Tower und an allen Wächtern vorbei. Wir stehen davor, die Kronjuwelen funkeln uns an, die Vitrine ist aufgebrochen. Der Alarm ist angegangen, und wir müssen zupacken.
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