Johannes Lukas im Interview: "Man nennt mich ja den Nagelsmann des Biathlons"
München - AZ-Interview mit Johannes Lukas: Der gebürtige Münchner (28) ist Cheftrainer des schwedischen Biathlon-Teams (Frauen und Männer).
"Jetzt bin ich schon froh, dass ich endlich wieder zu Hause in München bin"
AZ: Willkommen daheim in München, Herr Lukas: Mit dem schwedischen Biathlon-Team haben Sie gerade dreieinhalb Wochen in China verbracht. Wie werden Sie sich diese sehr speziellen Winterspiele in Erinnerung behalten?
JOHANNES LUKAS: Im Großen und Ganzen war es schon positiv, vor allem für uns aus sportlicher Sicht. Auch das Drumherum war nicht so schlimm wie erwartet. Aber natürlich war es sehr kräftezehrend, und jetzt bin ich schon froh, dass ich endlich wieder zu Hause in München bin.
Mit Schweden haben sie sich mit einmal Gold und dreimal Silber im Biathlon-Medaillenspiegel den dritten Platz gesichert - noch vor der einstigen Skijäger-Großmacht Deutschland (1 x Gold, 1 x Bronze).
Wir wollten wieder in den Top-3 der Welt sein und das haben wir geschafft - aber eigentlich ist es uns auch egal, wer vor oder hinter uns ist.
Das sagt Trainer Lukas über die Rivalität der Öberg-Schwestern
Zu verdanken haben Sie die positive Bilanz auch Ihrem schwedischen Sister-Act. Nachdem Hanna Öberg 2018 in Pyeongchang Gold holte, glänzte nun in Peking ihre vier Jahre jüngere Schwester Elvira (22) mit zweimal Silber - und beide zusammen dann noch mit Gold in der Staffel. Bei so viel guten Genen kann man als Trainer eigentlich gar nichts falsch machen, oder?
(lacht) Natürlich haben die beiden eine gute Veranlagung. Aber Elvira und Hanna sind auch aufs Ski-Gymnasium gegangen und haben somit früh die Förderung bekommen, die man benötigt, um in der Weltspitze mit dabei zu sein. Ich denke, dass Elvira von ihrer großen Schwester Hanna auch enorm profitiert hat, weil sie sich zunächst viel abschauen, aber in den letzten Jahren dann auch ihren eigenen Weg gehen konnte.
Wie managen Sie als Trainer die schwesterliche Rivalität der beiden?
Die beiden pushen sich extrem gegenseitig und sie helfen sich gegenseitig, sich zu entwickeln. Das ist eine extreme Stärke von ihnen. Aber wir haben Hanna und Elvira auch sehr gut darauf vorbereitet. Denn es gibt ja auch im Sport Beispiele, wo so eine Konkurrenzsituation das Geschwister-Verhältnis zerstören kann. Wir haben Ihnen sehr früh gesagt, dass sie das familienintern besprechen müssen, wo die Grenzen sind. Also im Sinne von: Wo ist man Konkurrentin, und wo ist man Schwester?
Johannes Lukas: "Wir machen hier in Östersund einen ganz guten Job"
In Ihrer Heimat ist es um den Lieblingswintersport der Deutschen aktuell schlecht bestellt. Ohne die Goldmedaille von Denise Herrmann sähe die Bilanz sogar arg düster aus. Was ist beim DSV in den letzten Jahren schief gelaufen?
Da hatte man sich natürlich mehr erhofft, aber es ist mittlerweile eben extrem eng in der Weltspitze. Man fährt schon lange nicht mehr zu Olympia und kann dort sicher mit einer Medaille rechnen.
Trotzdem: Schweden hat weniger Einwohner als Bayern. Was machen Sie in Skandinavien also besser als die Kollegen in Deutschland?
Es ist für mich immer schwer, andere Nationen zu beurteilen. Ich kann nur erzählen, was wir hier in Schweden machen.
Gerne.
Wir haben in Schweden in den letzten Jahren eine sehr gute Struktur entwickelt, mit einem zentralisierten System in Östersund. Hier sind alle meine Trainer, alle Athleten und wir trainieren wirklich täglich zusammen. Wir haben die Schulen perfekt darauf abgestimmt, auch die Junioren trainieren hier, und somit haben wir hier die perfekten Trainingsbedingungen. Wir haben sicher nicht die größten Mittel und auch nicht den größten Verband, aber wir machen hier in Östersund einen ganz guten Job.

Denise Herrmann ist bereits 33 Jahre alt, sehen Sie eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger, der in ihre Fußstapfen als Zugpferd des deutschen Biathlons treten könnte?
Vanessa Voigt hat eine sehr interessante Entwicklung hingelegt, da muss man jetzt mal abwarten.
Lukas: "Dieses Projekt ist für mich noch nicht abgeschlossen"
Und wie steht es um Ihre eigene Zukunft. Hat der DSV noch nie bei Ihnen angefragt?
Natürlich habe ich überlegt, ob es für mich Zeit ist, einen neuen Weg einzuschlagen, und ich habe auch Gespräche mit einigen Nationen geführt. Aber ich habe dann festgestellt, dass mein Weg mit Schweden noch nicht zu Ende ist und deshalb auch frühzeitig um vier Jahre verlängert. Dieses Projekt ist für mich einfach noch nicht abgeschlossen, weshalb andere Aufgaben für mich gar nicht so interessant waren.
Dann muss sich der DSV also mindestens noch vier Jahre gedulden...
(lacht) Ja.
Oder Sie satteln dann einfach um. Als Trainer sind Sie ja ein Multi-Talent, haben mit der deutschen Seglerin Tina Lutz 2020 bei den Sommerspielen in Tokio Silber gewonnen.
Diese Medaille war für mich das i-Tüpfelchen, weil ich damit überhaupt nicht gerechnet hatte. Ich interessiere mich einfach für viele Sportarten. Zum Beispiel habe ich früher auch beim TSV 1860 als Athletiktrainer gearbeitet. Ich will auch definitiv wieder im nächsten Jahr ein Praktikum im Fußball absolvieren. Der Fußball ist so ein interessanter Sport, gerade im Entwicklungsbereich. Da gibt es so viele verschiedene Ansätze. Allein von den Ansprachen der Trainer kann man so viel übernehmen.
Was wäre denn im deutschen Fußball Ihr Wunsch-Praktikumsplatz?
(lacht) Man hat mich ja schon oft den Julian Nagelsmann des Biathlons genannt. Von daher wäre es natürlich mein großer Traum, mal beim FC Bayern zu hospitieren.