Jetzt kommen die Rocker auf die Piste!

Während Skifahren in den USA gesellschaftlich schick ist, gab es in Europa einen Abwärtstrend. Doch Carving sorgt für einen neuen Boom – sogar bei jungen Leuten ist der Brettersport wieder cool
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Carving ist in: Bodenkontakt ist für Profis kein Problem.
Thomas Gaulke Carving ist in: Bodenkontakt ist für Profis kein Problem.

Während Skifahren in den USA gesellschaftlich schick ist, gab es in Europa einen Abwärtstrend. Doch Carving sorgt für einen neuen Boom – sogar bei jungen Leuten ist der Brettersport wieder cool

Jeden Wintertag um etwa 16 Uhr erheben sich im US-Nobel-Skiort Aspen feinste Damen und Herren aus New York, Boston oder L.A. von ihren Laptops und hüllen sich in Skibekleidung. Nicht, um rasch vor der Dämmerung eine kleine Abfahrt hinzulegen; die Herrschaften sind noch nie in ihrem Leben auf Brettern im Schnee gestanden. Die Maskerade dient vielmehr dazu, teilhaben zu können am legendären Five o'clock-Après-ski-Treiben der ehemaligen Silberminenstadt. Es gilt, gesehen zu werden.

Denn Skifahren ist in Amerika absolut in. Was sich vor einigen Jahren auch Prinz Luitpold von Bayern zunutze machte: Der Nachfahre der Ludwig-Könige eröffnete in Vail in Colorado das Kaltenberg Castle Royal Bavarian Brewhouse: eine bajuwarische Vergnügungsstätte mit Schweinebraten, Leberkäse, Bier und Blasmusik, direkt an der Liftstation gelegen. „Original bayerisches Bier“, hoffte der Wittelsbacher, „und ein original bayerischer Prinz“ – das werde die Amis ausflippen lassen. Und den Ruhm des Skisports weiter erhöhen.

In Europa schien es zu diesem Zeitpunkt mit der Reputation des Skisports etwas bergab zu gehen. Todesfälle im Rennsport und Klagen über zu starke Umweltschäden ließen das Image des ehemals weißen Zaubers gegen Null sinken. Zumal echte Winter immer rarer wurden.

Trotzdem stiegen die Preise für Hotels, Lifte und Nebenkosten immer stärker. Skifahren wurde für viele zu einem (zu) teuren Vergnügen. Woraufhin die Ski-Industrie auf ihren Produkten sitzen blieb. Ganze Lawinen von Ski-Negativmeldungen ergossen sich über die Bretter-Branche – die Szene ähnelte einem Schlund, in den ein rasendes Karussell einfuhr und alles mitriss, was mit den drei Buchstaben Ski zu tun hatte.

Verstört wurden die Ski-Menschen zugleich von einer Spezies namens Snowboarder. Denn diese Youngster stahlen ihnen die Show, wo es nur ging. Eine andere Welt war plötzlich in die Alpen eingezogen, eine Lifestyle-Welt – samt dazugehöriger Drogen. So wurden im Jahrhundert-Wende-Winter an einem einzigen Sonntag gleich 13 Snowboarder an der österreichisch-deutschen Grenzstation Kiefersfelden nach der Rückkehr vom Schnee-Fun mit „Schnee" (Kokain), Haschisch, Marihuana und Amphetaminen im Gepäck erwischt. „Alle Personen gaben an“, so das Statement der Grenzpolizei, „sie bräuchten das Rauschgift, um auf der Piste gut drauf zu sein.“ Und sich groß, cool und elitär dabei zu fühlen. Und nicht so mickrig wie die allmählich mit Minderwertigkeitskomplexen beladenen Ski-Gruftis.

Doch schon zu jenem Zeitpunkt hatte die Skibranche begonnen, zurückzuschlagen. Und wieder Fuß zu fassen. Mittels „Carving“. Carving heißt „schneiden“ – und mit Carving wurde nach und nach das Terrain zurückerobert. Inzwischen stagniert Snowboard – immer mehr junge Leute kehren zum Zweibrettfahren zurück. Carving meint: Der Skifahrer rutscht nicht mehr um die Kurve, sondern nimmt sie wie auf Schienen. Neueste Kreationen dabei für die Saison 2010/11: Die Rocker! Jene sind bereits von Haus aus vorne aufgebogen, während bisherige Ski sich erst bei der Schwungeinleitung in die Höhe stellten. Vorteil: Fahren wie mit einer Servolenkung! Nachteil: Für Speed-Freaks zu wenig Stabilität. Geeignet also am besten für Durchschnitts-Skifahrer. Also rund 75 Prozent.

Wer weiß: Vielleicht lassen sich mit den neuen Rocker-Ski-Schöpfungen sogar die nichtskifahrenden Ladies und Gentlemen aus New York oder L.A. zu einer ganz besonders kuriosen Idee hinreißen – vor dem Après-ski ein bisschen Ski zu fahren. Jupp Suttner

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