Ironman auf Hawaii 2016: Das Paradies, die Hölle
Für die einen ist es ein Honeymoon-Ziel, für andere reinste Quälerei. Hawaii – Hölle, Hotspot und Sehnsuchtsort der Triathlon-Szene zugleich. Samstag ist es wieder soweit: Der Ironman auf Hawaii steht an, das Wimbledon, Wembley und Monte Carlo dieser Sportart. Großes Aloha im Paradies: Auf zur freiwilligen Schinderei!
Frodenos Ziel im Paradies: "Großes Rennen abliefern"
Die Ironman-Weltmeisterschaft über die Langdistanz (3,86 km Schwimmen, 180 km Rad fahren, 42,195 km Laufen, ab 18.45 Uhr teilweise live in der ARD, im Stream auf hessenschau.de) ist das Weltsportfest der Härtesten der Harten – mitten im Pazifik, rund fünf Flugstunden von Kalifornien entfernt. In sengender Hitze, bei unerträglich hoher Luftfeuchtigkeit. Schwimmen. Radfahren. Laufen. Und immer: Leiden. Für 890 US-Dollar Startgeld. Auf Big Island, der größten der US-amerikanischen Hawaii-Inseln, erfüllen sich Lebensträume, für manchen verglühen Lebensziele – ob Profi oder Agegrouper, also jene Amateure, die in den jeweiligen Altersklassen starten. „Es ist eine Parade von Tausenden, die in der Form ihres Lebens sind“, brachte es Ironman-Legende Mark Allen auf den Punkt.
In den Tagen vor dem Wettkampf verändert sich Kailua-Kona, dieses nette Urlauber-Städtchen mit knapp 34 000 Einwohnern und zahllosen Touristen, in einen Triathlon-Ameisenhaufen. Die Hotels sind ausgebucht, die Preise immens gestiegen. Eine Messe von mehr als 2 300 Teilnehmern mit einem Körperfettanteil von unter 10 bis 15 Prozent – oder noch weniger. Dazu kommen die Normalos, also Familie und Freunde, Trainer, Physiotherapeuten, Serviceleute und natürlich die unzähligen Geschäfts-Ironmänner. Kailua-Kona, im sonnenreichen Westen von Big Island gelegen, steht dieser Tage unter Strom – und alle im Stau.
Das Duell des Männer-Rennens dürfte ein deutsches werden, ein erbitterter Zweikampf zwischen Vorjahressieger Jan Frodeno (35) und seinem Dauerkonkurrenten Sebastian Kienle (32). Der Schwabe gewann dieses Jahr die Ironman-Europameisterschaft in Frankfurt – in 7:52:43 Stunden „Ich mache meine besten Rennen, wenn ich nicht zufrieden bin“, sagt Kienle. Auf Hawaii arbeitete er sich kontinuierlich nach vorne: Vierter 2012, Dritter 2013, Champion 2014. Bis ihn vor einem Jahr Frodeno besiegte, Kienles „Wunsch- und Angstgegner“. Frodeno, 2008 Olympiasieger, wechselte nach der geplatzten Titelverteidigung 2012 auf die Langdistanz. In Roth holte er sich Mitte Juli eindrucksvoll die Weltbestzeit über die Langstrecke – in 7:35:39 Stunden. Die Wiederholung des 2015er-Triumphes ist sein Ziel. „Der Beste sein zu wollen in dem, was man macht“, sagt der gebürtige Kölner, „das motiviert mich extrem.“ Geht noch mehr? Gelingt es ihm tatsächlich, als erster Triathlet auf Hawaii unter der magischen Acht-Stunden-Marke zu bleiben? Den Streckenrekord hält der Australier Craig Alexander mit 8:03:56 Stunden, aufgestellt 2011.
Sportler präsentieren ihre Ironman-Körper
„Ich bin sehr froh, dass Jan hier ist“, sagt Kienle am Donnerstagmittag, „wenn ich hier als bester Deutscher ins Ziel komme, dann würde das schon einiges bedeuten.“ Er grinst. Sein Sitznachbar auf dem Podium, Frodeno, lacht. Seine Lockerheit ist nicht gespielt. Der gebürtige Kölner betont: „Humor ist meine Waffe.“
In den Tagen vor dem Rennen präsentieren alle Sportler ihre Form – und ihren Body. Zu Wasser und zu Lande. Jeden Morgen in der Dämmerung springen hunderte vom „Dig Me Beach“ am Pier, dem Startbereich des Rennens, in die Fluten. Auf der Strandpromenade, dem „Ali’i Drive“, wird gejoggt. Ein Schaulaufen. Die Radfahrer zeigen sich und ihr Equipment entlang des Highway „Queen Kaahumanu“, einer mehrspurigen Landstraße, die auch am Samstag befahren wird. Rechts und links Lavasteine, keine Bäume, kein Schatten. Nur Glut, Schweiß und manchmal Tränen. Viele Amateure, die hier mittags die Bedingungen auf dem glühenden Asphalt testen wollen, also sich die Hitze frei Haus geben, verpulvern zu viele Körner für das eigentliche Rennen.
Beim „Underpants-Run“ über 2,4 Kilometer am Donnerstagmorgen – ja, ein Lauf in Unterhosen – steht der Spaß im Vordergrund. Eingeführt von den Amerikanern, die damit die aus ihrer Sicht schamlosen europäischen, vor allem deutschen, Athleten veräppeln, die überall, ob in Restaurants, Cafés oder Supermärkten (zu) kurzbehost unterwegs sind. Eine witzige Sache für den guten Zweck. Die Profis sind derweil bereits längst in ihrem persönlichen Renntunnel. Der Sieger darf sich – wie im Jahr 1978 erdacht – Ironman nennen. Ein Ritterschlag. Für Frodeno oder Kienle? Patrick Strasser
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