Interview

"Hurra, ich lebe noch": Sven Ottke in der AZ über seine schweren Radunfall

Mitte Juli ist Box-Ikone Sven Ottke als Radfahrer auf Mallorca von einem Auto überfahren worden. In der AZ spricht er exklusiv über den Unfall, seine schweren Verletzungen und warum er jetzt der Terminator ist.
von  Matthias Kerber
"Es war viel Glück, dass ich überlebt habe. Daher muss ich wirklich sagen: Danke, danke, danke, lieber Gott, danke!", sagt Box-Ikone Sven Ottke, der als Radfahrer von einem Auto angefahren wurde.
"Es war viel Glück, dass ich überlebt habe. Daher muss ich wirklich sagen: Danke, danke, danke, lieber Gott, danke!", sagt Box-Ikone Sven Ottke, der als Radfahrer von einem Auto angefahren wurde. © IMAGO/Torsten Helmke

AZ-Interview mit Sven Ottke. Der jetzt 58-Jährige war von 1998 bis 2004 Boxweltmeister im Supermittelgewicht, dann beendete er nach 34 Kämpfen ungeschlagen seine Profikarriere. Im Juli wurde er bei einer Bike-Tour auf Mallorca von einem Auto angefahren und schwer verletzt.

AZ: Herr Ottke, wie geht es Ihnen jetzt, drei Wochen nachdem Sie beim Biken von einer Autofahrerin angefahren wurden, dabei schwere Verletzungen erlitten haben und gleich operiert werden mussten?
SVEN OTTKE: Es geht mir schon ganz okay, der Fuß sieht wieder wie ein Bein, nicht wie ein Elefantenfuß aus. Die linke Schulter ist kaputt, den linken Fuß kann ich nicht benutzen, ich bin fast wie halbseitig gelähmt. Klar bin ich im Moment noch ziemlich im Arsch, aber es sind alles Verletzungen, die reparabel sind. Die Schulter wird noch so drei Monate brauchen, das Bein sechs. Aber alles in allem hatte ich ein Mörderglück. Die Nummer hätte auch ganz anders ausgehen können, dann würden wir uns jetzt nicht unterhalten können. Ich hätte genauso gut tot sein können. Von dem her kann ich nur sagen: Hurra, ich lebe noch. Ich musste auch gleich an meinen guten Freund – den früheren Boxer Thorsten Spürgin – denken, der als er 1990 für einen Triathlon trainierte, von einem Auto umgenietet wurde und seit dem halbseitig gelähmt ist. Er hat tolle Fortschritte gemacht, ist aber trotzdem nicht mehr der Alte. So übel es jetzt auch bei mir ist, ich bin noch glimpflich davongekommen.

"Es war viel Glück, dass ich überlebt habe": Ottke über seinen Unfall

Wie genau kam es zu dem Unfall auf Mallorca bei Ihnen?
Ich war mit dem Fahrrad auf einer Landstraße unterwegs, wollte links rüber. Ich habe mich auf der Linksabbiegerspur eingereiht und mit dem Arm angezeigt, dass ich überqueren will. Ich bin davon ausgegangen, dass die Fahrerin mich sieht – hat sie aber nicht. Da war keine Reaktion, keine Bremsspur, kein gar nichts. Ich kann mir das nur so erklären, dass sie durch irgendwas abgelenkt war. Ich bin mit voller Wucht auf die Motorhaube geknallt, die Windschutzscheibe ist durch den Aufprall meines Oberkörpers völlig gesplittert. Ich hatte nicht mal einen Helm auf! Es war viel Glück, dass ich überlebt habe. Daher muss ich wirklich sagen: Danke, danke, danke, lieber Gott, danke!

Dieser Tag ist. . .
So etwas wie mein zweiter Geburtstag jetzt. Das klingt zwar nach Klischee, aber es ist halt wirklich so, dass es hätte vorbei sein können. Da denkt man doch über seine Sterblichkeit nach. Bisher hat man sich ja fast für unverwundbar gehalten. Aber das ist man eben nicht.

Daumen hoch: Ottke kurz nach der Operation im Krankenbett.
Daumen hoch: Ottke kurz nach der Operation im Krankenbett. © ho

"Ich habe eigentlich vier Brüche in dem Bein": Ottke über seine Verletzungen

Wie war der Moment nach dem Aufprall?
Ich habe an meinem Bein runtergeschaut und gesehen, dass es in einem komischen Winkel absteht und der Knochen durchschaut. Das war da, wo mich die Stoßstange getroffen hat. Ich war so dermaßen unter Schock, dass ich noch versucht habe, das Bein ein bisschen anzuheben. Keine gute Idee! Das ging einfach nicht, da dachte ich nur: Nee, lass es bleiben, lass es da liegen. Ich bin nur noch dagelegen und habe geheult wie ein Schlosshund. Ich habe noch meine Frau Monique angerufen, die ist sofort zur Unfallstelle. Ich wurde schon in den Krankenwagen gebracht. Sie sagte noch, dass ich Privatpatient bin, daraufhin wurde ich wieder ausgeladen. Es kam ein zweiter Krankenwagen und in den wurde ich umgehoben. Am nächsten Tag wurde ich am Bein operiert. Die Schulter wird konservativ behandelt, da ist ein riesiger Riss im Schulterkopf. Beim Bein habe ich zwei Brüche unter der Kniescheibe und zwei über dem Knöchel. Ich habe eigentlich vier Brüche in dem Bein. Da ist jetzt Titanium drin, ich bin jetzt sozusagen der Terminator. Ich war gerade erst beim Arzt, der ist mit der Heilung sehr zufrieden. Wobei man auf dem Röntgenbild schon noch einige Dinge sieht, die da nicht hingehören. Da ist ein Knochenfragment, ein anderes dort. Aber der Doktor sagt, das würde sich von allein regeln. Ich will ihm mal glauben (lacht).

Und jetzt still liegen und Reha – genau das richtige für Energiebündel Sven Ottke.
Mein Ruf eilt mir voraus. So gar nichts tun zu können, ist ganz und gar nicht das meine. Aber im Moment kann ich nur die Reha bewerkstelligen. Einmal die Woche kommt ein Physiotherapeut vorbei – und ansonsten heißt es für mich: Warten, bis das Christkind kommt. Aber ich will mich nicht beschweren. Ich bin hier, ich lebe – ich werde in ein paar Monaten wieder voll hergestellt sein.

In dieser Windschutzscheibe landete Ottke.
In dieser Windschutzscheibe landete Ottke. © ho

Ottke war bei Unfall ohne Helm unterwegs

Sind Sie eigentlich gläubig?
Auf eine gewisse Weise schon. Wenn ich mir mein Leben anschaue, dann kann man schon sagen, da hat einer wohl hie und da ein Auge auf mich. Klar, ich habe mir das Glück zum großen Teil auch erarbeitet, aber trotzdem hat man eben nicht alles unter Kontrolle. Das war jetzt bereits mein dritter schwerer Radunfall. Zwei Mal zuvor, bin ich so geschnitten worden, dass ich über den Lenker geflogen bin – und jetzt eben dieser Unfall. Und nie hatte ich einen Helm auf. . .

Das sollten Sie wohl ändern. . .
Sollte ich, ja. Nicht, dass mein Schutzengel irgendwann mal im Urlaub ist, wenn ich ihn dringend brauche. Es ist auch so, dass ich in meiner Heimat Karlsruhe nicht mehr mit dem Rad in der Stadt unterwegs bin, nur noch im Wald, wo keine Menschen und kein Verkehr sind. Du kannst als Radler tausendfach vorsichtig sein und alles richtig machen, aber wenn die anderen nicht aufpassen, dann bist du als Fahrradfahrer immer der Arsch. Du hast einfach null Knautschzone.

Also Helm.
Ich will mein Glück sicher nicht überstrapazieren.

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