Hölzl, für Maria Gold wert
Sportpsychologe Linz erklärt, wie Riesch vom Triumph der Zimmerkollegin profitiert, weshalb sie das Verlieren lernen muss, und warum sie so ist wie Roy Makaay, aber nicht wie Torsten Frings.
AZ: Herr Linz, Kathrin Hölzl gewinnt ohne einen Weltcupsieg ausgerechnet bei der WM, während Maria Riesch als Seriensiegerin nach Val d’Isère reist und bislang komplett versagt. Hat der Sportpsychologe dafür eine Erklärung?
LOTHAR LINZ: Natürlich. Das sind zwei ganz typische Fälle. Hölzl erinnert mich an den Spruch vom „unschuldigen Schritt“, den ein Basketballtrainer der LA Lakers mal prägte. Der Durchbruch, plötzlich, wenn keiner was erwartet von dir. Da gibt es viele Beispiele. Wasmeier 1985, Sensations-Weltmeister im Riesenslalom. Die gehen da völlig unbelastet in das Rennen, während die anderen Favoriten am Druck scheitern. So wie bisher Maria Riesch.
Die wirkte am Donnerstag, als Freude sie sich über Hölzls WM-Triumph mehr als über ihre zehn Weltcupsiege zusammen.
Das ist echte Freude mit der Freundin. Dazu wird Hölzls Gold eine Erleichterung für sie sein, vor dem Slalom. Jetzt redet keiner mehr davon, dass sie unbedingt die Medaille für Deutschland holen muss.
Sie schien daran zu zerbrechen, eine Pleite folgte der nächsten, nach Platz acht in der Abfahrt flossen Tränen.
Das fand ich schade.
Warum schade?
Weil sie das anders hätte einordnen müssen. In der Abfahrt hatte sie nicht wirklich eine Medaillenchance. Nur war sie da schon in der Negativspirale drin. Die Niederlagen führten zu sehr zu negativen Gedanken.
Ist sie also eine schlechte Verliererin?
Verlieren will gelernt sein. Und Maria Riesch kann noch dazu lernen. Bei ihr habe ich das Gefühl, je mehr Frust da ist, desto größer wird der Fokus, es wieder gut machen zu müssen. Sich immer zu sagen, es muss, es muss, es muss jetzt endlich klappen, das führt fast zwangsläufig dazu zu scheitern. Ich denke bei Maria Riesch an ein typisches Phänomen bei Ihnen früher in München, an Roy Makaay.
Huch. Weshalb?
In der Phase, wo er das Tor nicht getroffen hat, wuchs der Druck auch immer mehr. Bei Riesch zählt man die WM-Rennen ohne Medaille, bei Makaay die Minuten ohne Treffer. 140, 360, 780 Minuten.
Ist da nicht ein Unterschied? Fußball ist anders als Skifahren ein Mannschaftssport.
Nein. Wenn ich im Mittelfeld spiele und Torsten Frings bin oder sowas, dann zählt das Argument mit dem Mannschaftssport, dann kann ich mich verstecken. Ein Mittelstürmer aber wird nur am persönlichen Erfolg gemessen, an Toren, sonst nichts. Und Riesch an Medaillen.
Als Anni Friesinger 2006 in Turin als Topfavoritin an den Erwartungen scheiterte, umschrieben Sie den enormen Druck wie bei einem festgeklemmten Deckel auf einem brodelnden Kochtopf. Wie gelingt es Maria Riesch, diesen Deckel abzunehmen, damit der Druck entweicht, sie Dampf ablässt?
Ein bisschen hat Hölzl den Deckel schon hochgehoben. Dazu muss Riesch positiv denken. Sie muss sich sagen: Ich weiß, was ich kann, bin eine der Besten der Welt. Sie soll selbst nicht zu viel erwarten und verkrampfen. Ich denke da wieder an den Wasmeier. 1988 hat er als Olympiafavorit am ersten Tor im Super-G eingefädelt, 1992 wurde er Vierter in der Abfahrt, und als 1994 keiner mehr mit ihm rechnete und er selbst am allerwenigsten, da holte er auf einmal Doppel-Gold.
Maria Riesch hat in Val d’Isère nur noch eine Chance auf Gold, am Samstag im Slalom. Wenn es nichts wird, was raten Sie ihr? Soll sie sich daheim verkriechen?
Wenn sie das Bedürfnis hat, bitte. Nur betont das wieder die eigene Enttäuschung. Sie soll es nicht so schlimm nehmen. Man muss da runterkommen von irgendwelchen Allmachtsphantasien. Sie soll sich Freude auf die nächsten Großereignisse. Vancouver 2010, Garmisch 2011, Schladming 2013. Irgendwann wird sie oben stehen. Wann, ist völlig egal.
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