„Hey Sven, du Pfeife“
MÜNCHEN - Hannawald, einst Skisprung-Held und neuerdings Rennfahrer, spielt Fußball in Münchens A-Klasse, um sich fit zu halten. Hier genießt er es, nur Sportler und nicht Star zu sein. Die AZ war dabei:
Exakt 15 Minuten sind es mit dem Auto von seiner Haustür aus dorthin, wo sie ihn alle nur den Sven nennen. Heute Abend trägt er das Trikot mit der Nr. 8, seine Wadenmuskulatur wirkt durchtrainiert. Der athletische Sven Hannawald (35) lässt viele der Männer auf dem Rasen fast unsportlich wirken.
Seit der Winterpause kickt der ehemalige Skispringer beim TSV Neuried II in der A-Klasse, um sich fit zu machen für seine zweite Karriere als Rennfahrer in der GT-Masters-Serie; zuletzt ist er am Sachsenring mit seiner Corvette sensationell auf Rang zwei gefahren. Aber hier ist er: zum Kicken. „Sven ist ein guter Fußballer, einer unserer Stärksten. Und seine Einstellung ist immer top“, sagt Trainer Klaus Fahrner.
Die ersten fünf Minuten sind vorbei. Hannawald tanzt locker zwei Gegner vom FC Neuhadern aus, der anschließende Pass verfehlt das Ziel dann aber recht klar. „Dafür spielen wir halt auch nur in der A-Klasse“, meint Fahrner.
Sven Hannawald war ein Held des Skispringens, der Einzige, der alle Springen der Vierschanzentournee in einer Saison gewann. Vor fünf Jahren flüchtete er mit dem Burnout-Syndrom aus der Öffentlichkeit. Heute sehen ihm keine 20 Mann zu, alles Spieler aus Neurieds erster oder dritter Mannschaft plus Neuhaderns Bank. Aber keine Horden von kreischenden Teenagern mehr. Man kann sich vorstellen, wie er das hier genießt: einfach normal sein. „Hey Sven, du Pfeife“, begrüßt ihn einer vor dem Spiel. Der Umgangston ist flapsig und freundschaftlich.
Die Metaphern gleichen trotzdem noch denen aus der Vergangenheit: Beim Fußball, hat Hannawald mal gesagt, da ist man ein bisschen auch ein Gladiator. Und so kämpft er an diesem Abend viel und muss auch einiges einstecken. „Der Trainer hat erzählt, dass die anderen Mannschaften ihn mit Samthandschuhen angefasst haben. Aber das ist nicht mein Ding, so spiele ich nicht Fußball“, sagt Niclas Preisner, der seinem prominenten Gegenüber hin und wieder herzlich in die Beine grätscht.
Hannawald bleibt gelassen. Er schimpft nicht viel, jubelt aber auch nicht überschwänglich, als sein Team nach elf Minuten in Führung geht. Ein Schulterklopfer für den Torschützen muss reichen.
„Klar gab es vorher in der Umkleidekabine ein paar großmäulige Sprüche, wie Männer eben so sind“, erzählt Preisner. „Aber egal, was man vorher erwartet hat, der kann wirklich mit dem Ball umgehen, ist athletisch und will unbedingt gewinnen. Das hat uns schon motiviert." Ein Autogramm holt sich aber keiner.
In der zweiten Halbzeit wird die Bolzplatz-Romantik gestört: ein kleiner Disput mit Anhängern des Gegners. Den genauen Wortlaut behält Hannawald, heute auf Rechtsaußen, lieber für sich: „Das hat sich halt so hochgeschaukelt, weil der Schiedsrichter erst so viel hat durchgehen lassen. Aber ich hätte besser meinen Mund halten sollen, das muss ich wohl noch lernen.“
Lieber erzählt er davon, wie herzlich er hier aufgenommen wurde. Über zwei Freunde ist er zum TSV gekommen. „Am Anfang haben sie schon verwundert geschaut, aber schnell gemerkt, dass ich nicht von einem anderen Stern bin." Berührungsängste gab es nicht, blaue Flecken an den noch immer schmalen Beinen dafür von Beginn an. Ein bisschen wollen sie ihren prominenten Zugang aber beschützen. Anekdoten gibt es für die Presse nicht über den Neuen. Es findet sich dann aber das eine oder andere Vereinsmitglied, das wenigstens erzählen mag, dass der Sven gut hierher passt und ein ganz sympathischer Kerl ist.
Fünf Minuten vor Abpfiff: Held, Gladiator – und jetzt Kapitän. Einer muss verletzt raus. Während sich Hannawald die Binde überstreift, rufen sie von draußen: „Das kostet einen Kasten." Ein schönes Gefühl sei das gewesen, erzählt Hannawald, der die Kapitänsrolle aber doch lieber denen überlassen möchte, „die schon länger mit dabei sind und besser spielen können“.
Er möchte „unbedingt noch ein paar gute Spiele für die Mannschaft machen. Aber mit dem Aufstieg", schätzt Hannawald, „wird es sehr schwer.“ Aktuell ist das Team Dritter von 13 Mannschaften. Ein Tor hat er an diesem Abend nicht geschossen, sein Team gewann mit 3:0. Und der Ex-Skispringer und Rennfahrer feiert dort, wo er sich nicht verstecken und nicht verstellen muss, sondern einfach nur der Sven ist.
Emma Gnatzig
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