Hamilton: Zum Lügen gezwungen?

McLaren feuert den Teamchef, der Lewis Hamilton instruiert hatte. Glaubt dem Weltmeister jetzt keiner mehr?
SEPANG Lewis Hamilton versuchte noch nicht mal eines dieser typischen Lewis-Hamilton-Gesichter aufzusetzen. Der ewig lächelnde, makellose und immer siegessichere Weltmeister hatte sich, als er am Freitagabend in Sepang endlich sein Schweigen brach, in eine zerknirschte, ja fast schon devot wirkende Gestalt verwandelt. In einen Menschen, der wusste, dass sein Image als perfekter Musterschüler nicht Risse, sondern tiefe Krater bekommen hat.
Hamilton blickte in die Gesichter von mehr als 100 Journalisten, als er um Vergebung bat. „Ich möchte mich bei meinem Team, den FIA-Sportkommissaren, den Fans und den Medien entschuldigen, dass ich die Unwahrheit gesagt habe“, sagte Hamilton, „ich habe gemerkt, dass ich einen großen Fehler gemacht habe. Ich habe mich noch nie so schlecht gefühlt“, ergänzte er.
Am Vortag war Hamilton von den Regelhütern wegen seiner Falschaussage nachträglich aus der Wertung des Auftaktrennens in Melbourne genommen worden. Freitagmorgen hatte der McLaren-Mercedes-Pilot die wenig schmeichelhafte Schlagzeile „Lewis, du bist ein Lügner“ in der „Sun“ lesen müssen. „Ich bin kein Lügner“, wehrte er sich allerdings am Freitag, „man hat mich falsch instruiert, und mein Fehler war, dass ich darauf eingegangen bin. Mein Teammanager Dave Ryan hatte mich aufgefordert, Informationen zurückzuhalten.“
Das ist nichts Neues bei McLaren. „Bei keinem Rennstall passiert das häufiger als bei denen“, sagte der frühere Rennstallbesitzer Eddie Jordan zur AZ, „Lewis ist absolut unschuldig, sie haben ihn nach Lage der Dinge zum Lügen gezwungen.“ Das Resultat ist nun fatal – vor allem für den Weltmeister. „Hamiltons Image ist ruiniert. Man wird ihm nie mehr etwas glauben. Das ist der Schaden, der bleibt“, sagt Ex-Formel-1-Fahrer und RTL-Kommentator Christian Danner. Und Marc Surer, Danners Pendant bei Premiere, meint: „Hamilton hat sich zuvor ja schon arrogant verhalten, das aber hier war unfair und unkollegial.“
Hamiltons Ruf scheint ruiniert – weil er das tat, was er immer tut. Er hat auf das gehört, was ihm seine Teambosse einflüsterten. Und bei McLaren ist eine perfekte und makellose Außendarstellung seit jeher oberstes Gebot – auch, wenn man mal lügen muss. „So etwas passiert mir nie mehr“, beteuerte Hamilton am Freitag, richtig glauben mag man es ihm nicht mehr.
Jordan bezeichnet das Krisenmanagement von McLaren gar als „desaströs“. Darunter zu leiden hat nun Teammanager Ryan. McLaren-Geschäftsführer Martin Whitmarsch suspendierte den Neuseeländer, der seit 1974 für den Rennstall arbeitete, am Freitagmorgen. Ob er der wahre Schuldige ist, bezweifelt aber sogar Formel-1-Zampano Bernie Ecclestone: „Ich bin mir nicht sicher, ob es da den Richtigen getroffen hat. Dave Ryan war nur ein Angestellter. Handelt so einer auf eigene Faust?“
F. Cataldo, P. Hesseler