Hamilton und Mercedes: Das Brodeln vor Silverstone
Es sind Wohlfühlmomente für Lewis Hamilton, wenn er nach Silverstone kommt. Kein Fahrer hat öfter hier gewonnen als der Brite (achtmal, zuletzt im Vorjahr) und noch dazu ist es ja sein Heim-Grand-Prix. Vor dem Rennen am Sonntag (16.00 Uhr/Sky und RTL) bitten ihn die Fans an der Rennstrecke um Autogramme und Fotos, Hamilton bleibt stehen und grinst in die Kameras. Gute Laune gegen die schlechte Stimmung der vorigen Tage. Rund um - und in - Hamilton brodelt es.
"Ich denke, es ist Zeit, dass er zurücktritt." Rumms! Mit dieser Aussage hat Jackie Stewart Hamilton (37) kürzlich frontal gerammt. Der noch älteste lebende Weltmeister der Königsklasse bedauerte im Podcast "The Convex Conversation", dass Hamilton (sieben Titel) den Moment zum glorreichen Abtritt verpasst habe.
Formel 1: Der einstige Dominator fährt nur noch hinterher
Die Ergebnisse in dieser Saison belegen, dass der einstige Dominator nun meist hinterherfährt. Auf Rang sechs liegt Hamilton derzeit in der Gesamtwertung.
98 Zähler liegt er nach neun von 22 Rennen bereits hinter dem Führenden Max Verstappen (Red Bull) zurück, mit dem er sich im Vorjahr noch bis in die letzten Runden um den Titel duelliert hatte. Und wer nun den schwächeren Flitzer anführt: Sogar auf Stallkollege George Russell hat er 34 Zähler Rückstand.
Stewart ist nicht der einzige Kritiker Hamiltons. Ex-Formel-1-Pilot Ralf Schumacher bezeichnete ihn wegen des schwachen Starts sogar als "Verlierer der Saison". Verlierer - das schlimmstmögliche Wort in der konkurrenzbetonten Motorsportwelt.
Und Bernie Ecclestone, der früher den ganzen Zirkus leitete, überlegte laut, ob Mercedes nicht den Vertrag auflösen würde. Eine Aussage, die nicht in den Vordergrund rückte, geisterte ein Foto des 91-Jährigen mit seinem knapp zweijährigen Sohn durch Social Media - und fragwürdige Aussagen in den Medien. Ecclestone schwafelte, er würde für den russischen Staatschef Wladimir Putin "eine Kugel einstecken".
Rassistische Äußerungen von Piquet
Und dann gab es noch die rassistische Äußerung, die Ex-Weltmeister Nelson Piquet über Hamilton in einem Interview ausgoss. Da drang das Brodeln im herabgewürdigten Hamilton nach außen. "Aus der Zeit gefallen" nannte er Piquets Aussage. "Es sei Zeit zu handeln." Die Formel 1 will in eine andere Richtung gehen. In diesem Fall bekam der Brite sogar Unterstützung - von Erzrivale Verstappen, Piquets Schwiegersohn.
Hamilton, einmal in Fahrt gekommen, ergriff dann in der Pressekonferenz vor dem Wochenende in Silverstone auch zu seinen anderen Kritikern das Wort. "Es verging in den vergangenen Wochen kein Tag ohne dass jemand, der seit Jahrzehnten keine Rolle in unserem Sport gespielt hat, versucht hat, negative Dinge zu sagen - und mich herunterzuziehen." Er verstehe nicht, warum man diesen "älteren Menschen" diese Plattform biete. Rumms zurück, als wäre es nicht die Formel 1, sondern NASCAR.
Sonst droht Startverbot: Entfernt Hamilton sein Piercing?
Markige Aussagen, daheim in Silverstone. Hamilton räumt auf, genießt Wohlfühlmomente, tankt Kraft - und will, das gibt es ja auch noch, beim Rennen seine ansteigende Form unter Beweis stellen. Denn zuletzt, beim Grand Prix von Kanada, kam er als Dritter ins Ziel. Ein Erfolgserlebnis. Und Christian Horner, Chef des Erzrivalen Red Bull, meint, der schnelle Kurs in Silverstone und die Profile der kommenden Rennen kämen Mercedes entgegen.
Hamilton kann nun antworten. Nicht nur mündlich, auch mit dem Speed auf der Strecke.
So er denn darf. Denn am Donnerstag ist eine Frist ausgelaufen, die der Weltverband zur Abnahme von Schmuck gesetzt hatte. Hamilton war dem Verbot teils schon nachgekommen, ein Piercing hatte er bisher aber dringelassen. Im schlimmsten Fall droht ihm darum am Wochenende ein Startverbot. . .