Halmich: "Nikki Adler hat ein großes Kämpferherz"
München - Die 40-jährige Regina Halmich war Weltmeisterin im Fliegengewicht. Mittlerweile arbeitet sie als TV-Moderatorin.
AZ: Frau Halmich, am Freitag steigt die Augsburgerin Nikki Adler in den USA gegen den Superstar des Frauenboxens, Doppelolympiasiegerin Claressa Shields, in den Ring. Welche Chance räumt die ehemalige Box-Queen Adler bei diesem Kampf denn ein? REGINA HALMICH: Vorab muss ich mal sagen, dass ich es wahnsinnig toll von Nikki finde, dass sie den Mut hat, diesen Kampf anzunehmen, dafür auch noch ins Ausland zu gehen und sich dort mit der Besten der Welt – und das ist für Claressa Shields – zu messen. Das spricht für Adler und beweist, dass sie ein wirklich ganz großes Kämpferherz hat. Viele Boxerinnen hätten sich das nicht getraut. Aber ich muss auch sagen: Es wird ganz, ganz schwierig für Nikki.
Shields ist ein Ausnahmetalent.
Absolut. Wer ihre Bewegungsabläufe mal live gesehen hat, ihre Technik, ihre Geschwindigkeit, der weiß, dass Shields eine ganz andere Klasse hat. Rein boxerisch kann Adler gegen Shields nicht gewinnen.
Rein boxerisch hätten auch Arthur Abraham und Marco Huck viele Ihrer Kämpfe nicht gewinnen können.
Genau das ist der Punkt! Adler muss über den Kampf kommen, Shields musste noch nie über zehn Runden gehen, wenn Nikki es schafft, Shields in die späten Runden zu zwingen, dann hat sie die kleine Chance, die sie rein boxerisch nicht hat. Denn da muss man sagen, dass Shields nicht nur eine Klasse besser ist, sondern eher ein paar. Aber ich drücke Nikki die Daumen, ich mag sie sehr.
Wenn man sich die Kontrahentinnen von Adler bisher anschaut, dann fehlen da große Kämpferinnen.
Ich hätte mich Freude, wenn sie auf dem Weg zu diesem Mega-Kampf erstmal noch ein paar höherklassige Gegnerinnen geboxt hätte. Es sagt ja schon viel aus, dass Adler zwar Sechsfach-Champion ist, sie aber trotzdem die klare Außenseiterin ist. Diese Titel sind leider nicht so viel wert, wie der Name verheißt. Das wird man jetzt in Amerika sehen. Nikki hat das Pech, dass sie nebenbei ja noch einem normalen Job nachgeht, dass sie bei der Post angestellt ist. Es ist etwas ganz anderes, ob man sich jeden Tag ganz auf Boxen konzentrieren kann oder ob man noch einer Beschäftigung nachgehen muss.
Die Zeiten des des Frauen-Boxbooms in Deutschland sind vorbei.
Das hat auch damit zu tun, dass sich kein Boxstall voll zu Frauenboxen bekennt. Deswegen können die deutschen Boxerinnen im Moment international auch nicht mithalten. Dass aber Frauenboxen weiter funktioniert, sieht man ja etwa in den USA, in England, wo etwa Eddie Hearn...
Der Promoter von Schwergewichts-Champion Anthony Joshua.
Genau, der steht vollkommen hinter dem Frauenboxen.
Shields hat zu dem eine berührende Lebensgeschichte.
Absolut, es gibt ja die Dokumentation „T. Rex – ihr Kampf um Gold“ über sie. Es ist erschütternd, was diese Frau, eigentlich muss man ja sagen, dieses Mädel, in ihrem Leben schon erleiden musste. Ihr Mutter war drogenabhängig, der Freund der Mutter hat sie vergewaltigt. Sie hat schreckliche Dinge erlebt und überlebt. Sie hat etwas zu erzählen, ist eine interessante und spannende Persönlichkeit. Bei ihr stimmt das Gesamtpaket, deswegen denke ich, dass sie den Boxsport voranbringen kann.
Wie schwer ist es, in Amerika zu boxen? Das Ganze drumherum dort kann einen erschlagen, auch Sie haben Ihren Kampf dort verloren.
Das stimmt, ich würde aufgrund von einer Verletzung aus dem Kampf genommen. Man darf das nicht unterschätzen. Alle werden gegen dich sein. Es gibt Kämpfer, die das aufbaut und motiviert und andere, die darunter zusammenbrechen. Ich wünsche Nikki von ganzem Herzen, dass für sie dieser Kampf ein Highlight ihres Lebens wird, dass sie mit hocherhobenem Haupt den Ring verlassen kann und sie über die Runden kommt.
