„Haha, tatsächlich gewonnen“ Britta Steffen holt in Peking Gold

Britta Steffen hat den deutschen Schwimmern den ersten Olympiasieg seit 1992 beschert. Die Berlinerin schlug in Peking über 100 Meter Freistil als Erste vor der australischen Favoritin Lisbeth Trickett an.
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Britta Steffen zeigt voller Freude ihre Goldemedaille.
dpa Britta Steffen zeigt voller Freude ihre Goldemedaille.

PEKING - Britta Steffen hat den deutschen Schwimmern den ersten Olympiasieg seit 1992 beschert. Die Berlinerin schlug in Peking über 100 Meter Freistil als Erste vor der australischen Favoritin Lisbeth Trickett an.

Als Britta Steffen nach den wichtigsten 53,12 Sekunden ihrer Karriere angeschlagen hatte, hielt sie für einen ganz kurzen Moment inne. Erst dann drehte sie sich langsam um, schaute hoch zur Anzeigetafel und sah die „1“ hinter ihrem Namen leuchten. „Ich habe mir erst gesagt: Genieß diesen Augenblick, egal, was es geworden ist. Dann habe ich mich umgedreht und gedacht: Haha, tatsächlich gewonnen“, erklärte die neue Schwimm-Olympiasiegerin über 100 m Freistil.

Alles hatte sich für diesen einen kurzen Augenblick gelohnt, der Name Britta Steffen wird für alle Zeiten mit dem Attribut Olympiasiegerin versehen sein. Was nach dem Herzschlagfinale folgte, war ein grandioses und hochemotionales Wechselbad der Gefühle. Steffen umarmte ihre geschlagene Rivalin Lisbeth Trickett, vergoss dicke Freudentränen an der Schulter von Franziska van Almsick, lachte und weinte gleichzeitig, schrie und schwieg.

Der Nationalhymne bei der Siegerehrung lauschte sie mit Tränen der Ergriffenheit in den Augen und einem befreiten Lächeln im Gesicht. „Da war an Emotionen alles dabei. Zwischen Gedanken wie 'Mama und Papa, ich hab's geschafft' und „Ja, ich hab es mir selbst bewiesen'“, sagte die 24-Jährige schließlich völlig losgelöst und verfiel, als der ganze Druck der letzten Monate allmählich wich, vor lauter Aufregung in ihren Berliner Dialekt.

Etwas später, als sich der Trubel ein wenig gelegt hatte, nahm sie die Glückwünsche ihrer Mannschaftskollegen entgegen, telefonierte mit ihren Eltern und ihrem Freund Oliver Wenzel. „Genauso wichtig wie der Sieg ist es mir, dass ich Kampf und Willen gezeigt habe“, sagte Steffen.

Es war in der Tat ein Triumph des Willens. Noch zur Hälfte hatte die WM-Dritte und Europarekordlerin bei der Wende auf dem letzten Platz gelegen – fast eine Länge hinter Trickett. Doch Steffen kämpfte sich heran und schließlich vorbei („Da wurden Bärenkräfte frei“). Am Ende lag sie vier Hundertstel oder eine Fingerlänge vor der Weltmeisterin und Weltrekordlerin aus Australien.

Eine unruhige Nacht hatte Britta Steffen am Freitagmorgen hinter sich. „Ich hatte mir den Wecker auf 7.25 Uhr gestellt, aber um zwei Uhr bin ich wach geworden und konnte schlecht wieder einschlafen. Um halb sieben war ich dann komplett wach und habe gelesen. Als wir in die Halle einmarschiert sind, lief alles wie in Trance“, erzählte Steffen glücklich und aufgedreht. Unmittelbar vor dem Start hatte sie noch schnell den Ring an ihrem Finger gedreht – ein Glücksbringer, in den die Namen der Geschwister eingraviert sind.

Franziska van Almsick Freude sich mit und für Steffen. „Aus dem zappeligen Mädchen ist eine toughe, erwachsene Frau geworden. Ich ziehe meinen Hut vor ihr“, sagte „Franzi“, die selbst einen Olympiasieg verpasst hatte. Steffen hauchte ihrer „Mentorin“ derweil ein dickes „Danke“ ins Ohr. Beide verbindet ein besonderes Verhältnis, schließlich war es van Almsick, die Steffen einst nach Berlin zum gemeinsamen Trainer Norbert Warnatzsch gelotst hatte.

Unterdessen war Michael Vesper als deutscher Chef de Mission zusammen mit 17.000 Zuschauern auf der Tribüne des „Wasser-Würfels“ von Peking aus dem Häuschen. „Das war unfassbar, ein unglaubliches Rennen. Wie sie das noch gewonnen hat, ist fantastisch“, sagte Vesper nach dem ersten Olympiasieg für den Deutschen Schwimm-Verband (DSV) seit Dagmar Hases Triumph 1992 in Barcelona.

Ein „intelligentes Rennen“ bescheinigte der scheidende DSV-Sportdirektor Örjan Madsen seinem Star, der dem großen Druck standhielt. „Britta hat sich nicht aus der Ruhe bringen lassen und am Ende ihre Stärken ausgespielt“, erklärte Madsen, der nach Olympia wie geplant von seinem Posten zurücktritt.

Madsen blickte in der Stunde des Triumphes aber auch auf die teils blamablen Vorstellungen der anderen deutschen Schwimmer und erklärte: „Brittas große Leistung ist nur ein Pflaster auf die Wunde des DSV. Nach Olympia muss man das Pflaster abreißen und schauen, wie groß die Wunde wirklich ist.“ DSV-Präsidentin Christa Thiel sprach trotzdem von einem „Befreiungsschlag“ und dem „Beweis, in der Weltspitze durchaus mithalten zu können“.

Am Abend wurde im Kreise der Mannschaft im Athletendorf recht verhalten gefeiert, da Steffen noch über 50 m Freistil und mit der 4x100-m-Lagenstaffel an den Start geht. Danach will sie dann „die Seele baumeln lassen und beruhigt Urlaub machen“.

Während Britta Steffen ihr erstes olympisches Gold feierte, sammelte US-Superstar Michael Phelps über 200 m Lagen sein sechstes in Peking und sein zwölftes insgesamt ab. Phelps verbesserte dabei seinen Weltrekord in 1:54,23 Minuten um 57 Hundertstel. Der Ungar Laszlo Cseh blieb als Zweiter (1:56,52) 36 Hundertstel unter seinem Europarekord.

US-Boy Ryan Lochte verwies über 200 m Rücken nicht nur Athen-Sieger Aaron Peirsol auf Platz zwei, sondern knackte in 1:53, 94 Minuten auch den Weltrekord seines Landsmanns. Als Dritter verbesserte der Russe Arkadi Wjattschanin, der nach dem Halbfinale erst im „Stechen“ gegen den Frankfurter Helge Meeuw in den Endlauf eingezogen war, seinen eigenen Europarekord (1:54,93).

Die Amerikanerin Rebecca Soni verbesserte bei ihrem Triumph über 200 m Brust (2:20,22) den Weltrekord der zweitplatzierten Leisel Jones aus Australien um 32 Hundertstel. Einen Europarekord stellte die Norwegerin Sara Nordenstam (2:23,02) auf Platz drei auf.

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