Hachinger Olympia-Hoffnung: Turner Marcel Nguyen
Hachinger Hoffnung an den Turngeräten: Marcel Nguyen startet bei Olympia in London zwar für Straubenhardt, will aber bald nach München zurückkehren.
MÜNCHEN Einmal Unterhaching, immer Unterhaching. Seit er sieben Jahre alt ist, gehört der Kunstturner Marcel Nguyen ununterbrochen dem TSV Unterhaching an. Und wenn nicht alles täuscht, wird sich daran auch so schnell nichts ändern.
Auch nicht die Tatsache, dass er in der Bundesliga für die Turner des KTV Straubenhardt startet und seit fünf Jahren in Stuttgart lebt. „Ich werde sicher nicht ewig in Stuttgart wohnen, sondern irgendwann wieder nach München zurückkehren. Hier bin ich aufgewachsen, hier hab’ ich meine Familie und meine Freunde”, sagt Nguyen. Wenn er in München ist, vertreibt sich der 24-Jährige die Zeit am liebsten mit Kaffeetrinken in der Innenstadt, trifft seine Kumpels und schaut bei seiner Familie vorbei.
Die Kontakte in die Heimat kann Marcel Nguyen in diesen Tagen aber mal wieder fast nur über sein iPhone, ohne das man den selbsternannten Sunnyboy eigentlich nie sieht, pflegen. Die Vorbereitung auf die Olympischen Spiele in London (27. Juli bis 12. August) nimmt seine ganze Zeit in Anspruch. Nguyen gilt als deutsche Kunstturn-Hoffnung, als mehrfacher Medaillen-Kandidat, vor allem aber als Goldhoffnung in der Barren-Konkurrenz. Zweimal hat er an seinem Lieblingsgerät zuletzt den Titel bei den Europameisterschaften gewonnen. Doch im Gegensatz zu den anderen deutschen Vorzeige-Turnern Fabian Hambüchen und Philipp Boy hält sich der Münchner Junge mit dem vietnamesischen Wurzeln mit forschen Ankündigungen zurück. Er sagt nur: „Es wäre schön, eine Medaille zu holen.”
Nguyen weiß, warum er keine großen Töne spuckt: „Wenn man einmal daneben greift, ist alles vorbei.” Nur ein Fehlgriff und der Medaillentraum ist geplatzt. Allerdings hat Nguyen, im Gegensatz zu vielen anderen Athleten, nicht nur Chancen auf eine Medaille, sondern gleich mehrere. Auch am Reck und vor allem im Mehrkampf geht er aussichtsreich an den Start.
Dabei kommt Marcel Nguyen vor allem seine sogenannte asiatische Leichtbauweise zugute. Diese verschafft ihm gegenüber vielen Konkurrenten einen Vorsprung. „Den Vorteil habe ich von meinem vietnamesischen Vater mitbekommen”, sagt Nguyen, der gleich noch eine Eigenheit mit an die Geräte bringt. Den Tsukuhara, einen enorm anspruchsvollen Abgang, beherrscht in der Weltelite keiner so gut wie er. „Den sieht man gerade wirklich selten”, sagt Nguyen nicht ohne Stolz. Dafür trainiert er seit Jahren, dafür hat er viele Schmerzen auf sich genommen. So viele Schmerzen, dass die Pein, die eine Tätowiernadel dagegen verursacht, zu vergessen ist. Nguyen hat sich auf seinen muskelbepackten Oberkörper in einem Bogen der Halslinie eine großes Tattooo sticheln lassen. „Pain is temporary, pride is forever” steht da – der Schmerz vergeht, der Stolz bleibt ewig. So etwas wie Nguyens Lebensmotto.
Dem stets perfekt frisierten Abiturienten des Isar-Sportgymnasiums mangelt es nicht an Selbstvertrauen. Als Valeri Belenki, sein Trainer am Olympiastützpunkt in Stuttgart, mit ihm nach dem EM-Gold in Montpellier ein Gläschen Sekt trinken wollte, lehnte Nguyen dankend ab: „Nein, lass mal, ich habe noch Großes vor.”
Ganz Tabu ist Alkohol in den Tagen vor Olympia dennoch nicht. „Bei einem Geburtstag geht mal ein halbes Gläschen Sekt, mehr aber nicht”, so Nguyen. Erst wenn die Wettkämpfe in London vorbei sind, will sich der Vorzeige-Athlet des TSV Unterhaching wieder Muße gönnen. Und dann, nach der Überfahrt mit dem Schiff von London nach Hamburg und einem anschließenden Zwischenstopp in Stuttgart mal wieder länger in München vorbeischauen. Die Innenstadt und seine Freunde sollen dann nicht länger auf den Sunnyboy warten müssen.
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