„Gefühle wie beim Michael“
Gerhard Noack entdeckte nach den Schumachers auch Vettel. Ihn nennt er „meinen Lieblingssohn“. Und sagt: „Sebastian wird mal Weltmeister“
AZ: Herr Noack, Sie waren am Sonntag direkt nach dem Sieg von Sebastian Vettel am Telefon kaum ansprechbar. Haben Sie sich nun beruhigt?
Gerhard Noack (Vettels Entdecker): Sie haben zu früh angerufen. Ich war wirklich total außer mir vor Freude. Ich habe mir das Rennen bewusst ganz alleine am Fernseher angesehen. Ich wusste schon vorher, dass ich keine Menschen um mich herum ertragen würde, wenn dieser Moment wirklich eintreten sollte.
Sie haben also damit gerechnet, dass Sebastian Vettel, den Sie entdeckt und bis vor zwei Jahren in den Rennsport begleitet haben, in Monza gewinnen könnte?
Ich habe mir verboten, daran zu glauben. Aber ja, ich wusste, dass dieser Moment mal kommen würde.
Ihr Gefühl, als es soweit war?
Unbändige Freude! Weil Sebastian bewiesen hat, dass man nicht immer das beste Auto braucht, um zu gewinnen. Weil er im Regen der Beste war. Wo ist denn Nico Rosberg gelandet? Am Samstag hatte der den Mund voll genommen. Und im Rennen? Nicht einen Punkt geholt.
Haben Sie registriert, dass Vettel sich nach der Siegerehrung als erstes bei Ihnen bedankt hat?
Natürlich. Das zeigt, was für einen guten Charakter er hat. Das hat meine Sentimentalität nur noch mehr verstärkt.
Wieso waren Sie sentimental in diesem Moment?
Ich habe daran denken müssen, wie der Michael (Schumacher, d. Red.) 1991 in Spa sein erstes Rennen gefahren ist, wie er ein Jahr später in Spa erstmals gewann. Am Sonntag hatte ich dieselben Gefühle wie beim Michael damals.
Sie haben vor Sebastian Vettel schon Michael Schumacher in die Formel 1 gebracht. Wer ist besser?
Sebastian ist weiter als Michael in seinem Alter war. Viel weiter. Aber das ist ganz normal. Michael durfte erst mit acht Jahren bei den ersten kleineren Klub-Kart-Rennen mitfahren. Heute geht das viel früher los. Als Sebastian acht war, war er schon Kartmeister hier bei uns in Kerpen. Sebastian wird irgendwann mal Weltmeister. Aber ob er die Formel 1 so dominieren wird wie Michael, das kann ich mir nicht vorstellen. Heute gibt es mehr richtig talentierte Fahrer. Aber von all meinen Rennfahrer-Kindern ist Sebastian mein Lieblingssohn. Schließlich habe ich mich um ihn viel mehr und länger gekümmert als um Michael damals. Bis 2006 hat sich mein Leben nur um Sebastian gedreht.
Trotzdem verdienen Sie heute nichts an seinem Erfolg.
Das will ich nicht. Ich bin kein Manager. Ich sehe mich als Berater der Jungs. Ich habe Spaß daran, Talente auszubilden und ihnen dann mit meinen Kontakten zu helfen. Für die Formel 1 bin ich aber nicht geschaffen. Meine Welt, das sind die Karts. Ich war froh, als Sebastian 2006 Testfahrer bei BMW wurde. So konnte ich mich wieder um meine eigene Firma kümmern und ein bisschen Geld verdienen. Das war wirklich nötig.
Haben Sie schon das nächste Super-Talent entdeckt auf der Kerpener Kartbahn?
Da müssen wir noch abwarten. Michaels Sohn Mick fährt jetzt bei uns im Kartclub Kerpen, und auch andere Väter haben schnelle Kinder. Aber wenn es nicht klappt, ist das nicht so schlimm. Inklusive Ralf Schumacher habe ich drei Fahrer in die Formel 1 gebracht. Ich halte den Weltrekord. Und es hängt nicht nur von mir ab. Motorsport kostet Geld. Und Talente müssen früh richtig gefördert werden.
Vettel wurde schon sehr früh von Red Bull gefördert….
Und jetzt werden auch die Letzten verstehen, wozu das gut war. Red Bull macht es richtig. Genauso wie BMW mit ihrem Förderprogramm für die Formel BMW.
BMW hat Vettel 2007 zu Toro Rosso ziehen lassen. Glauben Sie, Mario Theissen beißt sich jetzt in den Hintern?
Nein, glaube ich nicht. Dr. Mario Theissen ist ein Rennsportfanatiker. Dem geht es nicht nur um seine Firma. Er wusste, dass Sebastian ein unglaubliches Talent ist. Es wäre letztes Jahr aber noch früh gewesen, ihm ein Cockpit im BMW zu geben. Also hat er ihn frei gegeben. Er wollte ihm diese Chance nicht verbauen. Wie viele talentierte Testfahrer sind denn schon in der Versenkung verschwunden. Es war die richtige Entscheidung. Dafür verdient Theissen höchsten Respekt.
Glauben Sie, Vettel kehrt irgendwann zurück zu BMW?
Wieso nicht? Sebastian hat nicht vergessen, wer an ihn geglaubt und ihm geholfen hat.
Oder Schumacher holt ihn doch zu Ferrari…
Oder das. Ich weiß, dass Michael da schon ziemlich lange darüber nachdenkt. Aber genauso lange zögert er schon. Normalerweise hätte er Mitte der Saison versuchen müssen, ihn zu Ferrari zu lotsen. Für 2009 oder 2010. Aber vielleicht wollte er Sebastian schützen. Stellen Sie sich vor, er hätte schon einen Vertrag bei Ferrari für die kommende Saison und gewinnt dann dieses Rennen in Monza. Dann wären die Parallelen noch größer geworden, das hätte den Jungen erdrücken können.
Interview: Filippo Cataldo