Zwergendämmerung!

Liechtenstein, Nummer 151 der Weltrangliste, muss mit einer B-Elf antreten und muckt dennoch auf: „Manchmal sehen die Kleinen besser aus“
von  Abendzeitung
Der bekannteste Fußballer aus Liechtenstein: Mario Frick, der Legionär vom AC Siena.
Der bekannteste Fußballer aus Liechtenstein: Mario Frick, der Legionär vom AC Siena. © GES/Augenklick

Liechtenstein, Nummer 151 der Weltrangliste, muss mit einer B-Elf antreten und muckt dennoch auf: „Manchmal sehen die Kleinen besser aus“

MÜNCHEN Axel Bernhardt kann es einfach nicht mehr hören. Und trotzdem sagt er es ganz freundlich: „Wir sind schon lange keine Hobbytruppe mehr – der FC Vaduz nicht und Liechtensteins Nationalmannschaft ebenso wenig.“

Dann verweist der Geschäftsführer des FC Vaduz, des Haupstadt-Klubs des Zwergstaats Liechtenstein, auf seinen jüngsten Coup: Die Verpflichtung von Weltmeister Pierre Littbarski als Trainer und Sportdirektor. Derzeit belegt das Team aus dem 5000-Seelen-Ort inmitten der Alpen zwar nur den vorletzten Platz in der Schweizer Ersten Liga. Dennoch soll mit Littbarski ein Ruck durch die Liechtensteiner Fußballszene gehen. Und von diesem soll auch die Nationalmannschaft des Fürstentums, der aktuell 151. der Fifa-Weltrangliste, profitieren. Vielleicht schon am Samstag in Leipzig (20 Uhr, ZDF live), wenn es gegen das übermächtige Deutschland geht.

„Das ist wie ein Pokalspiel – wenn ein Kleiner auf einen Großen trifft“, sagt der Trainer Hanspeter „Bidu“ Zaugg (57) forsch und fügt vieldeutig hinzu: „Oft sehen die Kleinen wegen ihrer Motivation und Bereitschaft nicht so schlecht aus.“ Klingt hier der Mut der Verzweifelten an? Eine Zwergendämmerung gar?

Ohne Gegenwehr werden sich die tapferen Liechtensteiner in Leipzig jedenfalls nicht von Jogi Löws vermeintlichen Tempofußballern vorführen lassen. Das verspricht zumindest Liechtensteins Kapitän Mario Frick, sozusagen der Mini–Ballack: „Wir dürfen den Deutschen auf keinen Fall wie im Hinspiel ins offene Messer laufen.“

Eine bittere 0:6-Klatsche hatten sich Frick und die Seinen im Hinspiel der WM-Qualifikation im September abgeholt. Zusammen mit Torwart Peter Jehle vom französischen Zweitligisten FC Tours ist Frick, der Profi des AC Siena aus Italiens Serie A, der Star im Team, der Größte unter den vermeintlich Kleinen. Noch immer wurmt den Rekordnationalspieler, dass er beim letzten Aufeinandertreffen ohne Tor blieb. In Freiburg vor neun Jahren hatte er noch zum zwischenzeitlichen 2:2 getroffen. Fast hätte Liechtenstein damals Remis gespielt. Nun ja, fast. Bis die Deutschen ernst machten und die Gäste mit 8:2 abschossen.

Tatsächlich aber weist Liechtensteins erst 27-jährige Länderspiel-Historie doch einige Glanzpunkte auf. In der WM-Qualifikation 2004 feierten die 35000 Untertanen von Fürts Hans-Adam II. ein sensationelles 2:2 gegen Portugal. Auf das folgte ein 4:0-Sieg in Luxemburg.

Vier Jahre später dann der zweite Zwergenaufstand. In der EM-Qualifikation holten sie erstaunliche sieben Punkte aus zwölf Spielen. Unvergessen dabei die mytische Schlacht gegen Islands Wikinger. Mit einem 3:0-Sieg schickten sie die Nordmänner nach Hause. Nun liegt es in der Natur der Heldentat, dass sie Ausnahme bleibt. Daher streitet sich Liechtenstein in der deutschen Gruppe 4 mit Berti Vogts' Aserbaidschan um den vorletzten Platz. Im Hinspiel gab’s ein 0:0. Immerhin.

In der Anlage „Verlängerte Rietschelstraße“, dort, wo sonst der achtklassige Leipziger Klub TuS Leutzsch trainiert, schwört Trainer Zaugg, seine verwegenen Kämpfer auf die Deutschen ein. Wegen Sperren und Verletzungen stehen ihm nur 16 Spieler, eigentlich nur ein B-Team, zur Verfügung. Und dennoch: „Die Motivation muss passen. Ich erwarte Einsatz und totales Engagement“, fordert der Coach. Zauggs Motto für Leipzig: Viel Feind, viel Ehr’.

Reinhard Keck

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