Zwei Endspiele für Rehhakles
Griechenland hofft, gegen Lettland und Luxemburg zumindest noch in die Relegation zu kommen und so den Traum von der WM 2010 am Leben zu erhalten. Falls nicht, ist der Trainer weg.
ATHEN Noch herrscht Ruhe rund um die Akropolis. Zeitungen und Fernsehkommentatoren halten sich auffällig zurück. Selbst Otto Rehhagel gibt sich in diesen Tagen handzahm. Es sei die Ruhe vor dem Sturm – meinen Beobachter.
Die WM-Qualifikation für Südafrika ist noch nicht endgültig verspielt und die Relegation im November in Reichweite. Schon kommende Woche aber könnte das Fußball-Märchen der Hellenen vorbei sein und damit die Ära von „König Rehhakles“. Schon jetzt steht fest, man wird mit Getöse auseinander gehen.
Vorerst wird das heikle Thema ausgeklammert, weil der „Grieche des Jahres 2004“ gegen Lettland und Luxemburg vor zwei Endspielen steht. Die Schweiz scheint mit 17 Punkten enteilt, Griechen und Letten haben je 14 Zähler. Der Gruppenzweite kann auf die Relegationsspiele hoffen. Scheitert der 71-jährige Rehhagel dabei, hat er sofort „fertig“, schafft er die Sensation durch die Hintertür, verlängert sich sein Vertrag bis zum Ende der WM. Bis dahin will keiner am Denkmal Rehhagel kratzen, dessen Stern nach dem EM-Gewinn 2004 stetig sank und mit dem der Großteil der griechischen Presse eine Rechnung offen hat.
Rehhagels Ausbrüche sind auch in Griechenland legendär. Auf Pressekonferenzen sagt er meist nur belanglose Sätze und geht als müsse er den letzten Zug erreichen. Oder er attackiert die Medien. Mal herablassend, mal schulmeisterlich. Dass es bald vorbei sein könnte, hat der Essener König Otto“ selbst angedeutet. „Mein Vertrag läuft bis zum Ende der Qualifikation. Wenn es vorbei ist, ist es vorbei. Qualifizieren wir uns, läuft der Vertrag bis zur WM“, sagte Rehhagel im Juli. „Ich bin jetzt hier acht Jahre lang Trainer, ein Rekord.“ Er denke darüber nach, noch mal einen Verein zu übernehmen. Im August 2010 wird Rehhagel 72.
Dass er seinen Vertrag in Griechenland 2001 an seinem Geburtstag unterschrieb, passt zu den kuriosen Kapiteln, die Rehhagel folgen ließ. Er holte sich Ioannis Topalidis als Assistenten an seine Seite, der lange in Deutschland lebte und für ihn übersetzt. Topalidis lebt heute in Athen und tourt Spieler beobachtend durchs Land, während der „Chef“ nur rund 80 Tage im Land weilt. Abgesehen vom EM-Titel schaffte der „Ehrenbürger Athens 2004“, auch sonst, was vor ihm keiner schaffte: Im Kader und in der Kabine herrscht Ruhe. „Früher hat jeder gemacht, was er wollte. Jetzt macht jeder, was er kann“ so Rehhagel.
Dem Highlight 2004 folgte der leise Abstieg. Bei der WM 2006 nicht dabei, wurden die Griechen bei der EM 2008 als „Rumpelfußballer“ ausgelacht und schieden ohne Sieg aus. Auf dem Weg nach Südafrika musste man sich von der Schweiz und deren Trainer Ottmar Hitzfeld zweimal demütigen lassen. Noch etwas hat Hitzfeld Rehhagel voraus: Er steht als einer der erfolgreichsten Trainer des FC Bayern in den Geschichtsbüchern. Rehhagel als ein nach zehn Monaten gescheiterter.
Als Hitzfeld im Oktober 2008 mit 2:1 in Athen gewann, geriet auch der „Volksheld“ Rehhagel in Schieflage. Heute fragen sich einige, ob Rehhagel dem griechischen Fußball tatsächlich weiter geholfen hat. Für ihn gehörte Nachwuchsförderung nicht zu den beliebtesten Tätigkeiten. Rehhagel setzte auf die erfahren Recken seiner EM-Elf. Die, so scheint es, können ihm nicht mehr helfen. Er gewann nur eines der letzten acht Spiele.
Oliver Trust