Zum Tode Harry Valériens: "Sappradi, Bursch!"

Harry Valérien, Grandseigneur des Fernsehsports und Gründungsvater des ZDF-Sportstudios, stirbt mit 88 Jahren auf dem Heimweg an den Starnberger See an Herzversagen. Franz: „Ruhe in Frieden, mein Freund“
Gunnar Jans |
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Und so sah "Das aktuelle Sportstudio" mit Valériens Moderation aus: In dieser Aufnahme aus dem Oktober 1983 schaut er sich gemeinsam mit dem Torwart Jean-Marie Pfaff (l.) eine Spielszene auf einem Bildschirm an.
dpa Und so sah "Das aktuelle Sportstudio" mit Valériens Moderation aus: In dieser Aufnahme aus dem Oktober 1983 schaut er sich gemeinsam mit dem Torwart Jean-Marie Pfaff (l.) eine Spielszene auf einem Bildschirm an.

Harry Valérien, Grandseigneur des Fernsehsports und Gründungsvater des ZDF-Sportstudios, stirbt mit 88 Jahren auf dem Heimweg an den Starnberger See an Herzversagen. Franz: „Ruhe in Frieden, mein Freund.“ Ein Nachruf von AZ-Sportchef Gunnar Jans.

MÜNCHEN Sappradi, ja musste das jetzt sein?

Und doch: Kann es einen schöneren, einen gnädigeren Tod geben als diesen?

Harry Valérien ist am Freitagabend noch mit Freunden im Restaurant "Tatzlwurm" in Oberaudorf zusammengesessen, mit ehemaligen Skifahrern und früheren Kollegen, sie haben von alten Zeiten erzählt. Auf dem Heimweg an den Starnberger See  – seine Frau Randi saß mit im Auto –  soll er sich dann, so heißt es, noch einmal an der Landschaft erfreut haben, ehe er den Kopf ans Fenster lehnte und schwieg. „Er ist ganz friedlich eingeschlafen“, berichtet Schwiegersohn Stefan Glowacz, der Extremkletterer ist Ehemann von Valériens Tochter Tanja.

Fast neun Jahrzehnte lang hat das Herz von Harry Valérien, der am 4. November 89 Jahre alt geworden wäre, für den Sport geschlagen. Am Freitag hörte es auf zu schlagen, für immer. Doch die Legende lebt weiter, man wird sich auf ewig erinnern: an diesen stets charmanten und nonchalanten, in der Sache unerbittlichen, doch jederzeit fairen Moderator alter Schule, an seine unverwechselbare Stimme, an das bayerische Idiom, ans rollende „R“ in seinen Reportagen, natürlich auch an die gelben Strickpullover, sein Markenzeichen, und andere Knallfarben, in denen er moderierte. Vor allem aber an seine Interviews im ZDF-Sportstudio, zu dessen Gründungsvätern er 1963 gehörte und das er bis 1988 genau 283 Mal auf unverwechselbare Art moderierte. Unaufgeregt, doch mit Charakter, unterhaltsam, aber nie Effekte erhaschend, im besten Sinne: ein Gesprächspartner der Stars.

„Harry war ein sehr guter Gastgeber, ich habe ihn verehrt“, sagte Franz Beckenbauer dem ZDF, „er war ein sehr anständiger, ein fairer Mensch“ – der ihm im Laufe der Jahre sogar zum „väterlichen Freund“ (@Beckenbauer bei Twitter: „Ruhe in Frieden, mein Freund“) wurde und der den Kaiser zuweilen auch zurechtweisen durfte: „Pass auf, Burschi, das gefällt mir nicht, das ist nicht gut für Dich.“

Harry Valérien war gut in seinem Metier, vielleicht der Beste, der den Sport je vor der Kamera präsentierte. „Er war wortgewaltiger Fan und zugleich kritischer Begleiter“, beschreibt ihn ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz. „Für Generationen von Journalisten war Harry ein Idol“, sagte Dieter Kürten, sein Wegbegleiter im Sportstudio, „er hatte immer einen festen Standpunkt, den er nie verließ.“

Paul Breitner bekam das zu hören, als er sich 1982 am Tag vor dem WM-Finale über kritische Journalisten beschwerte. Valérien interviewte ihn im Pool, er bückte sich zum badenden Nationalspieler ins Becken und sagte: „Sie sollten vielleicht ein bisschen mehr – darf ich Ihnen das sagen – gelassener sein. Geht das?“
Valérien, der Grandseigneur, traf den richtigen Ton, selbst wenn er, der mit 14 seine Mutter (Autounfall) und mit 15 den Vater (das Herz) verlor und dessen Tochter Leila mit 42 an Brustkrebs starb, nicht weiter wusste. Etwa wenn er im Sportstudio die übertragende Kamera aus den Augen, aber doch nie seinen Charme verlor: „Wo simma? Wo samma? Da samma!“

Das waren diese Momente, über die Kürten sagt: „Die Leute liebten ihn.“ Auch wegen seiner Live-Reportagen, bei denen er mitlitt, wenn die Skifahrer stürzten: „Sappradi, Bursch, was soll das!“

„Sappradi, Bursch, das sag’ ich auch heut’ noch manchmal daheim, wenn mir was misslingt beim Sport oder beim Hämmern“, erzählte er 2003 vor seinem 80. Geburtstag dem AZ-Reporter. Aber warum „Sappradi“? Valérien lächelte weise: „Und nicht Sakkradi? Weil sonst die Kirche irgendeine Assoziation gehabt hätte. Sappradi versteht man genauso, kann aber nicht missinterpretiert werden.“

Nicht nur das Sappradi wird uns fehlen. „Harry, wir sehen uns wieder“, schreibt Dieter Kürten (77) zum Tod seines Freundes, „und dann moderieren wir gemeinsam die Spiele der 1. Himmelsliga.“

Wer wäre da nicht gern Zuschauer?

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