Zu jung, zu nervös – die Probleme der deutschen Frauen
Växjö - Die Einschaltquote war weit besser als das Spiel. Durchschnittlich 6,01 Millionen Fans verfolgten das doch eher ernüchternde und enttäuschende 0:0 der DFB-Frauen gegen die Niederlande zum EM-Auftakt im ZDF. Die fade Nullnummer bescherte dem Sender einen guten Marktanteil von 21,8 Prozent, in der Spitze sahen sogar 7,32 Millionen Menschen zu, wie sich die Kickerinnen von Bundestrainerin Silvia Neid überraschend schwer taten gegen die Oranje-Elf.
„Wir müssen die Spielerinnen jetzt aufbauen und mutig machen, das ist unsere Hauptaufgabe”, sagte Neid am Freitag. Schon am Sonntag gegen Island (20.30 Uhr, ZDF und Eurosport live) stehen die Deutschen unter Zugzwang. Es gibt viel zu tun für Neid und den angereisten Mentalcoach Markus Hornig. Gegen die Niederländerinnen hielt die runderneuerte Mannschaft, die ohne sechs verletzte oder kranke Stammkräfte auskommen muss, dem Druck nicht stand. Das stark verjüngte Team (23,5 Jahre im Durchschnitt) spielte vor 8861 Zuschauern im südschwedischen Växjö, als würde jede Spielerin einen mit Steinen beladenen Rucksack mit sich herumschleppen. Die Deutschen agierten verkrampft, zweikampfschwach und ohne Ideen – auch der aufmunternde Anruf von Bundeskanzlerin Angela Merkel wenige Stunden vor Anpfiff hatte nichts geholfen.
Am Ende stand ein Unentschieden, das sogar schmeichelhaft war.
Damit ging die deutsche Auswahl zum ersten Mal seit 16 Jahren und nach 19 Siegen in Folge nicht als Gewinner nach einem EM-Spiel vom Platz. In dieser Form haben die DFB-Frauen keine Chance auf den sechsten EM-Triumph in Folge und den achten insgesamt.
Das wissen auch die Spielerinnen, die sich selbstkritisch zeigten – obwohl Neid der italienischen Schiedsrichterin Silvia Spinelli wegen mindestens zweier verweigerter Elfmeter zu Recht eine Mitschuld gab. „Wir haben nicht die richtigen Mittel gefunden, ängstlich gespielt”, sagte Kapitänin und Torhüterin Nadine Angerer, die ihr Team mit drei guten Paraden vor einer Niederlage bewahrt hatte. Auch Torjägerin Celia Okoyino da Mbabi gestand ein, dass „wir nicht das umsetzen konnten, was wir uns vorgenommen hatten”. Den Grund dafür hatte sie auch parat. „Für viele Spielerinnen war die Drucksituation neu, aber sie haben das Potenzial”, sagte die Stürmerin. Ähnlich sah es Angerer. „Für viele war es das erste Turnierspiel. Sowas kann lähmen.” Lena Goeßling untermauerte diese Einschätzung. „Die EM ist doch etwas anderes als ein Testspiel. Wir waren nervös, haben falsche Entscheidungen getroffen”, sagte die Mittelfeldspielerin. Annike Krahn sieht die Routiniers nun in der Pflicht: „Wir Älteren sind gefordert”.
Nach dem Spiel gegen Island in Växjö treffen die Deutschen, die im Fall des Titelgewinns die EM-Rekordprämie in Höhe von 22500 Euro pro Spielerin kassieren, im letzten Vorrundenspiel am Mittwoch in Kalmar auf den zweimaligen Europameister Norwegen (18.00 Uhr/ARD und Eurosport). Da auch die beiden besten Drittplatzierten der drei Vorrundengruppen weiterkommen, könnte bereits ein Sieg aus den beiden Partien für den Viertelfinal-Einzug genügen.
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