Wwwwööööööööööhhhhh!

Mit einem bunten und lauten Spektakel ist die erste Fußball-Weltmeisterschaft auf afrikanischem Boden eröffnet worden: Die Vuvuzelas, südafrikanische Tröten, geben dem Turnier schon jetzt seinen ganz besonderen Sound
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Kampfjets fliegen zu Beginn der WM-Eröffnungsfeier über das Stadion
dpa Kampfjets fliegen zu Beginn der WM-Eröffnungsfeier über das Stadion

JOHANNESBURG - Mit einem bunten und lauten Spektakel ist die erste Fußball-Weltmeisterschaft auf afrikanischem Boden eröffnet worden: Die Vuvuzelas, südafrikanische Tröten, geben dem Turnier schon jetzt seinen ganz besonderen Sound

Sieht ja immer nett aus, so ein Formationsflug von Düsenjets. Ein paar Showeinlagen direkt über dem Stadion - im Grunde ein Relikt vergangener Tage. Doch Freitagnachmittag bei der WM-Eröffnungsfeier in Johannesburg war es wohl eine simple Demo: Seht, besser, hört her, Besucher aus aller Welt: Düsenjets sind noch lauter.

Und tatsächlich: Man konnte sogar Afrikaner im Stadion „Soccer City“ sehen, die sich, eine Vuvuzela, in der einen Hand, mit der anderen rasch ein Ohr zuhielten. Zu Beginn der Eröffnungsfeier vor dem Auftaktspiel, dem 1:1 der Südafrikaner gegen Mexiko, war das der Beweis: es geht noch lauter.

An die 124 Dezibel, Düsenjet-Dimensionen, kann eine Vuvuzela, erreichen. Eine! Doch tausende, abertausende dieser Vuvuzelas fabrizieren einen ständigen Lärmpegel, ein „Wwwööööööhh“, das über das Ohr in den Kopf und weiter zähflüssig durch den gesamten Körper kriecht. So lange bis man meint, es wäre das überlaute Rauschen des eigenen Blutes.

Macht man als Stadionbesucher kurz die Augen zu, hat man die Wahl: entweder wähnt man sich in einem Hornissenschwarm, oder man meint, einer jämmerlich verendenden Elefantenkuh zuhören zu müssen.

Da hilft nur eins: Ear Plugs, also Ohrstöpsel. Der AZ-Reporter macht den Selbstversuch. Rein mit dem gelben Schaumgummi – und es hilft. Na ja, ein wenig. Nun ist das Vuvu-Dröhnen etwas sanfter, als wäre man im Stadion nebenan. Mit dem Nachbarn auf der Pressetribüne geht jetzt nur noch Zeichensprache. Und die Heimat, die Redaktion? Telefonieren über Handy? Keine Chance – entweder tröten die Vuvuzelas oder man ist ohropaxiert. Da hilft nur mailen, smsen oder skypen – ohne Internet ist dieses Turnier nicht vorstellbar.

Die erste WM in Afrika, die erste Vuvu-WM, alles ist diesmal anders. Der Geräuschpegel lässt einen Europäer das klassische Fußball-Gefühl vermissen. Die Mexikaner konnten sich mit ihren Fangesängen nicht durchsetzen, die Südafrikaner singen nicht. Wie auch, mit dem Mund an der Tröte? Eigenwillig auch: Man hört den Schiedsrichter nicht, plötzlich war’s aus - Schlusspfiff. Vorbei.

Kurz bevor Fifa-Boss Sepp Blatter und der südafrikanische Präsident Jacob Zuma die WM dann eröffneten, flimmert eine dringende Bitte der Stadionregie über die beiden Videoleinwände: „Quiet please“ (Ruhe bitte) und die Durchsage, die Fans mögen doch für einen Moment darauf verzichten, zu tröten. Was auch funktionierte. Es war ein Moment der Entspannung.

Die halbstündige Eröffnungsfeier war bunt und sympathisch, weil sie eher zurückhaltend war – mit Künstlern aus Afrika und mehr als 1000 Tänzern in der Arena. Als Höhepunkt: Stars wie Khaled, R. Kelly und der Soweto Ghospel Chor und ihrem WM-Song „Sign of Victory“. Auf den Tribünen war viel Prominenz: Nelson Mandelas Befreier und Ex-Regierungschef Frederik Willem de Klerk, US-Vizepräsident Joe Biden, Model Naomi Campbell und Fürst Albert aus Monaco. Mitreißend wie immer zeigte sich die südafrikanische Legende, Erzbischof Tutu, beim Mitswingen auf der Tribüne. Good vibrations für die TV-Zuschauer in 251 Ländern.

Das Motto der Show: „Welcome the world home“ („Heißt die Welt zuhause willkommen“). Die Begrüßung soll die Menschen in der Welt daran erinnern, dass Afrika als Wiege der Menschheit gilt. Ein buntes Spektakel, nicht zu übertrieben, pompös und durchgestylt wie bei Eröffnungsfeiern Olympischer Spiele.

Nur einer fehlte: Nelson Mandela, der ehemalige Präsident, die Freiheitsikone Südafrikas. Der 91-Jährige sagte wenige Stunden vor Beginn ab. Er trauert um seine Urenkelin (siehe auch Seite 2). Eine Schweigeminute gab es leider nicht. Sie hätte der Veranstaltung gut getan - so oder so.

Patrick Strasser

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