WM-Kolumne von Caro Matzko: Im Namen der Freiheit
Da war was los die Woche, oder? Saudi-Arabien besiegt Argentinien, und Spanien brilliert mit lässiger Überlegenheit und prachtvollem Torgewitter: SIEBEN (in Ziffern 7) zu Null (0) gegen Costa Rica! Damit kam es endlich zur ersten (und vielleicht auch letzten) positiven Schlagzeile aus Katar: Die WM hat ihren ersten Ohrwurm.
Statement für Toleranz und Diversität
Jippie. "Mi gran noche" schmetterte el cantante español Raphael sieben Mal aus den Lautsprechern - und damit subtil auch ein Statement für Toleranz und Diversität. Zumindest konnten Eingeweihte die Botschaft decodieren, denn "mi gran noche" ist in limonadenseligen und regenbogenbunten Kreisen als Gassenhauer bei Christopher-Street-Days bekannt. Insgesamt also ziemlich lässig - mit Hüftschwung und baila baila.
Bleischwer dagegen der Auftritt der deutschen Elf. Zum One Fight rund um die One-Love-Armbinde ist ja schon alles gesagt worden (nur halt noch nicht von jedem, hätte Karl Valentin hinzugefügt). Ich mach's kurz: Ich hätte mir mehr Konfliktfreude vonseiten des DFB gewünscht gegenüber der Fifa. Binde dran, Platzverweis. Neuer Torwart, noch mal Platzverweis. Abflug nach Hause. Medialer Aufschrei, aber moralischer Ritterschlag. Klar, die Jungs sind nicht zum Demonstrieren nach Doha geflogen.
WM-Misere: "wir hängen unsere Träume nicht aufgeben"
Und die ganze WM-Misere begann natürlich nicht erst mit dem Anpfiff. Insofern verständlich, dass die Nationalspieler genervt von Moralaposteln und Rechtfertigungsdruck Anfang der Woche zickig zurückmüllerten: "Wer von uns erwartet, dass wir unsere sportlichen Träume, für die wir ein Fußballerleben gearbeitet haben, aufgeben, um uns politisch noch deutlicher zu positionieren, der wird enttäuscht sein." Sportlich enttäuscht waren dann aber alle - ob der Niederlage gegen Japan.
Auch weil "wir" (wer auch immer das genau sein mag) "uns" damit für die Häme der katarischen Funktionäre so angreifbar gemacht haben. Der katarische Sportreporter @Qatari twitterte das Foto der deutschen Elf, die sich für das Pressebild den Mund zuhielt und notierte daneben "Deutschland - Japan: 1 zu 2 - das passiert, wenn man sich nicht aufs Fußballspielen konzentriert." Autschibautschi.
Ohrwurm für die Freiheit
Für das Spiel gegen Spanien schlage ich dementsprechend für alle Eventualitäten proaktiv einen Ohrwurm der fantastischen Münchner Freiheit vor. 1988 veröffentlichten sie die tausend Tränen schwere Hymne: "Solang man Träume noch leben kann". Zitat: "Das große Ziel war viel zu weit / Für unsere Träume zu wenig Zeit / Du weißt genau, dass irgendwann /Einmal ein Wunder geschehen kann/ Versuchen wir es wieder/ Solang man Träume noch leben kann." Damit bleibt uns wenigstens ein feiner Ohrwurm - im Namen der Freiheit.