WM-Fans am Kap beruhigen: «Wir leben noch»

Nach all den düsteren Schlagzeilen über Mord und Totschlag am Kap geben die meisten Fußball-Fans gut eine Woche nach WM-Start Entwarnung.
Johannesburg «Wir leben noch, und das gar nicht schlecht!», brachte es ein Schweizer Journalisten auf den Punkt. Fan-Parks und Restaurants sind voll, die Stimmung ist gut. Viele der angereisten WM-Touristen waren jedoch geschockt, als sie in Pensionen oder Gastfamilien zunächst in den südafrikanischen Alltag mit Alarmanlagen und privatem Wachdienst eingewiesen wurden.
Schutzgitter vor den Schlafzimmertüren schützen die Bewohner vor Einbrüchen - und über meist versteckt angebrachte Knöpfe kann man im Notfall private Wachdienste alarmieren. Dort ist man inzwischen an Fehlalarm durch unbedarfte WM-Fans gewohnt, die beim nächtlichen Toilettengang das Ausschalten der zuvor aktivierten Alarmanlage vergessen haben.
Die schwedische TV-Journalistin Anna Brolin hatte in ihrer ersten Nacht in Südafrika ein solches Erlebnis, als sie beim Blick aus dem Fenster plötzlich einen schwer bewaffneten Mann in schusssicherer Weste durch den Garten streifen sah. Es war der Mitarbeiter eines Wachdienstes, der sie in Gefahr wähnte und retten wollte. Denn die Schwedin selbst hatte unbemerkt in der Zentrale eines angeschlossenen Sicherheitsdienstes Alarm ausgelöst. «In meinem Haus in Schweden habe ich überhaupt kein Alarmsystem, ich schließe einfach die Tür - und mitunter noch nicht mal das», erklärte sie später entschuldigend.
Abgesehen von derartigen Zwischenfällen halten sich die bekannt gewordenen Straftaten im WM-Umfeld in erstaunlichen Grenzen. Der Winter dagegen hat WM-Fans und Kicker im wahrsten Sinne des Wortes kalt erwischt; viele hatten vor der Abreise den Tipp zur Mitnahme von wärmender Unterwäsche bei dieser WM lächelnd in den Wind geschlagen. Es ging ja nach Afrika - und nicht nach Sibirien. Nach der Ankunft wurde der dezente Hinweis vieler Pensionsbesitzer auf die elektrische Heizdecke zunächst ebenfalls lächelnd als unnötig abgetan.
Nach Einbruch der Frostperiode mit beachtlichen Minusgraden wurde das Angebot mit anderen Augen gesehen. Zudem wurde in den Einkaufs-Passagen auf einmal rege Nachfrage nach wärmender Winterbekleidung registriert. «Ich suche etwas Originelles, das zugleich wärmt und sich als Souvenir nutzen lässt», meinte ein brasilianischer Fan, der sich in der Johannesburger Rosebank-Einkaufspassage umschaute. Er befand sich in guter Gesellschaft: An der Kasse stapelten sich schon die Jacken in den knallgelben Farben des südafrikanischen Fußball- Teams «Bafana Bafana», die Fans aus Mexiko gerade bezahlten.
Reißenden Absatz gibt es auch beim umstrittensten Fan-Artikel der WM, der lärmigen Vuvuzela. Obwohl viele der Fußball-Touristen ihre nationale Eigenständigkeit mit Kuhglocken (Schweiz), knarrenden Ratschen (Mexiko) oder Trommeln (Argentinien) im Stadion bewiesen, verfielen doch viele dem Charme des südafrikanischen Krachmachers. Nach ausgiebigem Üben berichteten viele Anhänger später allerdings über schmerzende Lippen - das Tröten will halt gelernt sein! dpa