„Wie wirke ich?“
Warum der Münchner Fifa-Schiedsrichter Felix Brych nach Fehlern Zeitungen liest, wie er Maradona erlebt hat und wann er im Stadion Gänsehaut bekommt.
AZ: Herr Brych, Sie starten mit einem außergewöhnlichen Spiel ins Fußballjahr 2009: Sie leiten am Mittwoch ein Ligaspiel in Saudi-Arabien. Wie kam es dazu?
DR. FELIX BRYCH: Der saudische Fußballverband hat bereits einige Male deutsche Schiedsrichter für wichtige Ligaspiele angefordert. Der DFB teilt dann einen seiner Schiris ein. Ich war übrigens schon vor einem Jahr dort.
Hört sich an wie ein netter Ausflug zu den Scheichs bei angenehmen 25 Grad.
Von wegen. Das sind meist richtig intensive Duelle mit etwa 30 000 fanatischen Zuschauern. Diesmal spielt der Tabellenzweite Al Ahli aus Jeddah gegen den Dritten Al Hilal aus Riad. Das Spielniveau ist zwar nicht so hoch wie hier, aber natürlich will ich eine Top-Leistung zeigen und den DFB gut repräsentieren.
Wie haben Sie sich auf die Bundesliga-Rückrunde vorbereitet?
Ich habe täglich selbstständig an meiner Fitness gearbeitet, bin laufen oder ins Studio gegangen und habe die ein oder andere Tennispartie mit Freunden gespielt. Ich kann es mir nicht erlauben, auf der faulen Haut zu liegen. Das würde spätestens bei den DFB-Leistungstests auffallen.
Dennoch haben Sie an Silvester wohl auf ein erfolgreiches Jahr 2008 angestoßen: Sie sind in die zweithöchste Schiedsrichter-Kategorie der Fifa aufgestiegen und haben in der Champions League debütiert.
Das stimmt, 2008 war ein erfolgreiches Jahr für mich. Es gab viele schöne Momente. Mein erstes Spiel in der europäischen Königsklasse wird mir sicherlich immer in Erinnerung bleiben. FC Liverpool gegen PSV Eindhoven – an der Anfield Road, in diesem historischen Stadion zu pfeifen, ist wohl für jeden Referee etwas Besonderes. Wenn das ganze Stadion Liverpools berühmte Hymne „You'll never walk alone" singt, bekommt man kurzzeitig schon etwas Gänsehaut. Das Spiel ist dann für mich sehr gut gelaufen. Ich habe dieses Erlebnis sehr genossen.
Auch beim Trainer-Debüt von Diego Maradona beim Test-Länderspiel der Argentinier in Schottland waren Sie der Spielleiter. Wie war er denn so, der Herr Maradona?
Ich habe ihn gar nicht persönlich kennen gelernt. Er hat auf mich eher distanziert gewirkt. Aber das lag wohl daran, dass er sich sehr auf seine neue Aufgabe fokussiert hat. Von meinem Team und mir hat er jedenfalls weder während noch nach dem Spiel etwas gewollt.
Es gab im vergangenen Jahr auch Kritik. Zum Beispiel beim Bundesliga-Spiel Borussia Dortmund gegen den VfB Stuttgart, als Jens Lehmann über Sie sagte: „Es ist schade, dass man mit solchen Leuten konfrontiert wird."
Solche Aussagen spielen für mich keine Rolle. Die werden meist direkt nach dem Spiel getätigt, da stecken noch eine Menge Emotionen drin.
Sie hatten zuvor ein Tor gegeben, obwohl der Ex-Nationalkeeper ziemlich deutlich gefoult worden war.
Im Nachhinein ein Fehler, ganz klar. Aber glauben Sie mir: Ich war bestimmt derjenige, der sich darüber am allermeisten geärgert hat. Stellen Sie sich vor, Sie machen einen Fehler und Millionen Leute schauen am Fernseher zu. Das ist kein gutes Gefühl. Ich denke, wenn ich daneben liege, haben die Klubs auch das Recht, mich zu kritisieren. Aber die Kritik sollte sachlich bleiben und nicht auf mich als Person zielen.
Nach der Hinrunde sind Sie nach Noten in der kicker-Rangliste nur Elfter von 20 Bundesliga-Schiris. Ihre Durchschnittsnote liegt bei 3,17. Zufrieden?
Ach, das ist mir eigentlich ziemlich wurscht. Ich nehme die Noten in der Presse vielleicht zur Kenntnis, aber lasse sie nicht an mich heran. Sie sind nur Momentaufnahmen. Für meine Bewertung sind Schiedsrichter-Kommissionen zuständig, nicht die Medien. Die Spielberichte lese ich mir dennoch durch, weil ich wissen will: Wie wirke ich nach außen? Wenn ich zum Beispiel jedes Wochenende lesen oder hören würde, „Der Brych war theatralisch“, dann müsste ich mein Auftreten überdenken.
Eine letzte Frage, die sich wohl jedem fußballbegeisterten Münchner einmal stellt: Rot oder blau?
Weder noch. Ich bin Schiri, also schwarz.
Interview: Joscha Thieringer