„Wie die Bayern 1999“
Tränen nach dem Fußball-Krimi in Crailsheim: Die Frauen verpassen den Titel – um ein Tor. "Das ist hart, wir haben einfach kein Glück!"
CRAILSHEIM Gut, es war nur die Kopie der Meisterschale in Reichweite. Doch auch die hätten Melanie Behringer und Co. gerne genommen – und voller Stolz in den Himmel über Crailsheim gereckt. Doch das 3:0 beim Tabellenletzten war nicht genug. Nur ein mickriges Tor fehlte den Frauen des FC Bayern im Herzschlagfinale zum Titel. Denn auch die punktgleichen Rivalinnen von Turbine Potsdam gewannen ihr letztes Spiel gegen Wolfsburg – ebenfalls mit 3:0 – und feierten den Titel.
Und so saßen die frustrierten Bayern-Frauen auf dem Rasen: enttäuscht, erschöpft und die Augen voller Tränen. Nicht eine Spielerin war dabei, die keine Tränen vergoss. Noch eine Viertelstunde nach dem Abpfiff hatte keine das Spielfeld verlassen. Zu groß war der Schmerz.
Und so blieb es Karin Danner, der Koordinatorin der Bayern-Frauen, überlassen, den Schock in Worte zu fassen. „Vom Emotionalen her ist das vergleichbar mit der Champions-League-Pleite der Bayern in Barcelona 1999“, sagte sie mit geröteten Augen. „Wir waren so nah dran am Titel – ein einziges Tor! Das ist hart! Wir haben einfach kein Glück. Ich glaube, wir haben die Seuche.“ Und weiter: „Vor der Saison wären wir ja mit der Qualifikation (als Zweiter spielt der FC Bayern in der neuen Champions League, d. Red.) zufrieden gewesen. Aber jetzt? Wenn du so lange die Hand an der Schale hast, dann ist das verdammt bitter. Das ist eine ganz herbe Niederlage.“ Und: „Wir können den Mädels keinen Vorwurf machen. Das haben sie nicht verdient.“
Tabellenführer auf der Zielgerade abgefangen
Tatsächlich waren die Mädchen von Trainer Günter Wörle fast die komplette Saison über Tabellenführer gewesen, erst die 0:4-Niederlage vergangenen Mittwoch gegen Duisburg hatte sie aus der Bahn geworfen. Danach hatte Wörle „fehlenden Killerinstinkt“ bei seinem Team ausgemacht, gestern hätte er die Frauen gerne selbst angeleitet. Doch Wörle war nicht im Stande, nach Crailsheim zu reisen. Eine Gallenkolik mit hohem Fieber zwang ihn, zu Hause im Bett zu bleiben. Per Handy ließ er sich von seinem Co-Trainer Peter Kargus, der ihn gemeinsam mit Karin Danner vertrat, informieren. „Bei Günther ging wirklich gar nichts“, entschuldigte Kargus seinen erkrankten Boss, „er war ans Bett gefesselt.“
Doch seine Mädels wollten es Wörle beweisen. Beweisen, dass sie Killerinstinkt haben. Bianca Rech (48.) brachte das Team vor 1650 Zuschauern, davon gut 1200 Bayern-Fans, in Führung. Und die mitgereisten Anhänger brannten bengalische Feuer ab, denn in Potsdam stand es noch 0:0. es loderte noch, als im fernen Potsdam auch Turbine traf. Dennoch kannte der Jubel keine Grenzen, als Bayerns Nina Aigner (52.) auf 2:0 erhöhte. Doch zehn Minuten später verbreiteten sich die bösen Nachrichten, die auf der Bayern-Bank per SMS aus Potsdam eintrafen, auch im Stadion. 3:0 stand es für Turbine.
Aus dem Drama wurde eine Fußball-Tragödie
Der herrliche Treffer von Nicole Banecki zum 3:0 (75.) – zu spät, zu wenig. Aus dem Drama wurde eine Tragödie. Und auch die Schwester der Torschützin 3:0 war bedient. „Wir sind so enttäuscht“, sagte Sylvie Banecki, „nach 33 Jahren Pause wollten wir unbedingt Meister werden. Wir wollten es wirklich! Jetzt sind wir Verlierer! Jede von uns ist tief enttäuscht und tief verletzt.“ Da half es auch nicht, dass Ersatz-Cheftrainer Peter Kargus sagte: „Es war dennoch eine Weltklasseleistung. Aber ich glaube, jetzt hilft nur Weißbier.“ Um den Frust runterzuspülen.
Reinhard Franke
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