Wesley: Der gute Junge friert
Der vielseitige Brasilianer Wesley ist der neue Hoffnungsträger des SV Werder Bremen – weil er auf dem Feld für einen Südamerikaner ungewohnt dynamisch und ausdauernd agiert.
BREMEN Das Bremer Wetter. Die empfindlich kühlen Temperaturen, der ewige Nieselregen, die zähe Wolkendecke. Dass einem Brasilianer diese Umstände nicht behagen, liegt auf der Hand.
Immerhin hat Wesley, der erst seit wenigen Wochen in Deutschland lebende Hoffnungsträger des SV Werder, sich schon dahingehend akklimatisiert, dass er neben den funkelnden Brillanten in beiden Ohren einen dicken Wollpullover trägt, den der gemeine Nordeuropäer eigentlich erst im Winter aus dem Schrank holt. „Ich friere schon jetzt“, gesteht der schmalbrüstige 23-Jährige. Insofern ist es ganz dienlich, dass die nächste Dienstreise in südliche Gefilde geführt hat: An diesem Mittwoch treten Werder und Wesley in der Champions League bei Inter Mailand (20.45 Uhr/live Sat 1) an und allenthalben wird dem stark ersatzgeschwächten Bundesligisten beim Titelverteidiger nur eine Außenseiterrolle zugeschrieben. Wesley betätigt sich als Mutmacher. „Wir haben nichts zu verlieren, sonst brauchen wir ja gar nicht auf den Platz zu gehen. Ich freue mich sehr auf dieses Spiel.“
Unklar bleibt, von welcher Position aus der neue hanseatische Sympathikus und gläubige Christ, der mit vollem Namen Wesley Lopes Beltrame heißt und aus Cantanduva im Bundesstaat Sao Paulo stammt, seine Umtriebigkeit im San Siro entfalten darf. „Am besten ist für mich die Sechser-Position“, sagt der 63 Kilo leichte Allrounder, dessen Vielseitigkeit auch Thomas Schaaf preist. „Er hat nur zu kleine Hände, sonst könnte man ihn auch als Torwart gebrauchen“, scherzt der Bremer Cheftrainer, der seine 7,5 Millionen Euro teure Neuerwerbung wohl langfristig als Antreiber neben Kapitän Torsten Frings einplanen wird.
Beeindruckend sind seine Dynamik, seine Aktivität und seine Ausdauer – fast atypische Attribute für einen Südamerikaner. Vorstandschef Klaus Allofs ist davon überzeugt, „einen guten Jungen“ an die Weser gelotst zu haben, der – anders als die früheren Problemfälle Baiano, Gustavo Nery oder Carlos Alberto – sich nicht zum Millionen-Missverständnis entwickelt. „Mit seinem großen Aktionsradius gibt er uns eine zusätzliche Qualität“, glaubt Allofs, „ihm ist kein Weg zu weit, und er möchte viel lernen.“ Alsbald auch die deutsche Sprache. Ein höfliches „danke, danke“ kommt schon flüssig über seine Lippen.
Frank Hellmann