Was sich Fußball-Fans alles einfallen lassen
München - So ganz loslassen wird sie der Hamburger SV wohl nie, daraus machen die Gründer des HFC Falke keinen Hehl. Und auch in den HSV-Farben Schwarz-Weiß-Blau soll es für sie weitergehen, wenn auch nicht im Volkspark, in den HFC-Präsidentin Tamara Dwenger und ihre Mitstreiter jahrein jahraus pilgerten.
Denn künftig heißt es Neunt- statt Erstliga-Fußball, Basisdemokratie statt ausgegliederte Fußball-AG und "Nur der HFC" statt "Nur der HSV". Der Auftakt ist schon mal geglückt. 750 Zuschauer strömten zur Pflichtspiel-Premiere am vergangenen Wochenende in den Stadtteil Stellingen und verfolgten den 3:0-Sieg in der ersten Runde des Hamburg-Pokals gegen den SV West-Eimsbüttel.
Endstand 1:7 in Hasloh! Erste gehaltener Elfmeter der Vereinsgeschichte durch Patrick Meins! #falkenfieber pic.twitter.com/zE32gBNYtY
— HFC Falke e.V. (@hfc_falke)
28. Juli 2015
Und das Ganze unter für Kreisklassen-Verhältnisse höchst ungewöhnlichen Begleiterscheinungen: So gab es eine Choreographie unter dem Motto "Kämpfen & Glänzen", einen Merchandising-Stand mit reißendem Absatz, Dutzende Zuschauer in HFC-Trikots, Schlangen vor den Bier- und Wurst-Ständen, mehr als 120 verkaufte Dauerkarten und nach Schlusspfiff einen Tanz von Spielern und Fans zu "Humba Täterä".
"Es war total genial. Darauf haben wir ein Jahr hingearbeitet", sagt Mit-Initiator Philipp Markhardt. Und auch die Verantwortlichen des Hamburger Fußball-Verbandes zollen Respekt: "Das ist eine Belebung des Amateurfußballs", sagt Sprecher Carsten Byernetzki. Wer wissen will, warum sich Dwenger und Co. vom HSV losgesagt haben, muss auf den 25. Mai 2014 zurückblicken. Damals stimmten fast 87 Prozent der Mitglieder für die Umwandlung des Bundesligisten in eine Aktiengesellschaft.
"Die Ausgliederung war der Tropfen auf dem heißen Stein", sagt Dwenger. Sie habe gedacht: "Das ist wahrscheinlich das letzte Mal, dass ich für Jahre in diesem Stadion gewesen bin." Direkt danach habe sie sich mit Markhardt und anderen Weggefährten versammelt. Sie seien sich einig gewesen, dass sie diesen Weg nicht mitmachen können, sagt Dwenger.
Keinen Monat später war der HFC Falke gegründet - und dies in bewusster Anlehnung an die Ursprünge des HSV. Dass die "Falken" in den Farben des HSV spielen sollten, sei sofort klar gewesen. "Jeder, der zu uns kommt, muss verstehen, dass dieser Verein schwarz-weiß-blaues Blut hat", sagt Dwenger. Mittlerweile hat der Club 350 Mitglieder - Tendenz steigend. "Wir sind der erste Verein von Leuten, die sich von einem Bundesliga-Club abgewendet haben und sagen: Wir machen was Eigenes", sagt Markhardt.
Wobei die "Falken" keine "Anti-Veranstaltung" zum HSV sein wollen, wie Dwenger betont, "sondern wir wollen eine Alternative sein für jeden, der sich vielleicht nicht mehr so zu Hause fühlt". Vorbild des HFC ist der FC United of Manchester.
Diesen basisdemokratischen Club hatten im Sommer 2005 enttäuschte Fans von Manchester United gegründet, nachdem der US-Milliardär Malcolm Glazer den Verein übernommen hatte. Mittlerweile spielt der FC United im eigenen Stadion in Liga sechs - eine ähnliche Erfolgsstory schwebt auch Dwenger vor. "Das klare Ziel für uns ist die Oberliga."
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Es war eine ebenso unglaublich wie unheimliche Zusammenkunft: Nach der 3:6-Pleite beim SC Freiburg war erst zwei Stunden her, da bog der Bus des 1. FC Nürnberg von der Autobahn A5 ab und stoppte.
Wie die "Bild"-Zeitung berichtete, warteten bereits 200 Fans der Nürnberger Ultraszene. Sie hatten die Club-Verantwortlichen zum Rapport einbestellt.
Mannschaft, Trainerstab, Chefscout Christian Möckel und Sportvorstand Martin Bader folgten der "Einladung" und stellten sich auf der Raststätte 30 Minuten lang den wütenden und frustrierten Fans.
Bader persönlich hatte dieses Treffen nach Spielschluss unterstützt und kurzfristig ermöglicht.
"Gerade für die jungen Spieler war dieses Treffen schon sehr emotional, einige wirken noch immer eingeschüchtert“, zitiert die "Bild" einen nicht namentlich genannten FCN-Profi.
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Bei Eintracht Braunschweig herrscht schon vor dem zweiten Saison-Spiel schlechte Laune. Sportlich war das 1:3 zum Auftakt gegen den SV Sandhausen ein früher Nackenschlag und stellte das neue taktische System von Trainer Torsten Liebknecht infrage.
Mindestens genauso unerfreulich waren aber die Begleitumstände auf den Rängen im Stadion des Zweitligisten. "Wir wollen euch kämpfen sehen", hatten die Eintracht-Fans schon lange nicht mehr von ihren Lieblingen gefordert. Zudem wurde auch mit Pyrotechnik gezündelt. Problematisch ist aber vor allem die Zwietracht unter den Eintracht-Fans, die nach mehr als einem Jahr Pause wieder aufbrach.
Er sei auf das Spiel konzentriert gewesen und habe nichts wahrgenommen, sagte Lieberknecht über den ungewöhnlichen Streit der eigenen Fans. "Wir sind die Eintracht – und ihr nicht", rief die Gruppe von den Ultras Braunschweig (UB01) während der Auftaktpleite.
"UB raus", antworteten die geschmähten Anhänger. "Ich habe das auch mitbekommen", sagte Manager Marc Arnold. "Ich war auch erstaunt darüber." Er hatte die überraschende Interpretation, dass sich die Fangruppen "am Ende wieder zusammengerauft haben".
Dass die rivalisierenden Fangruppen wieder aufeinanderzugehen, gilt in Braunschweig aber als eher unwahrscheinlich. Auch wenn sich der Verein viel Mühe gibt und sogar eine externe Moderation eingeschaltet hat, um das Problem mit den Ultras zu lösen. Im Herbst 2013 war der Konflikt in der Fanszene eskaliert, der aus Sicht der linken Ultras auch ein politischer ist.
Nach dem Ärger beim Gastspiel in Mönchengladbach wurde die Gruppierung UB01 mit Stadionverbot belegt. Aufgehoben wurde dieses zum Start der neuen Saison "unter umfangreichen Bewährungsauflagen", wie der Verein schrieb: "Diese Maßnahme ist das Ergebnis eines rund 18-monatigen Moderationsprozesses, der von der Arbeitsstelle für Rechtsextremismus und Gewalt (ARUG)/Zentrum Demokratische Bildung geleitet wird."
Dass sich Anhänger des gleichen Klubs nicht mögen und die Fanszene sich spaltet, ist nicht allein ein Braunschweiger Phänomen. Dies ist aus verschiedenen Gründen auch bei Hannover 96 oder Werder Bremen zu beobachten.