Was erlauben Henry?

Frankreich dank eines Handspiels bei der WM. Iren wittern Betrug: „Wir sind angewidert.“
von  Abendzeitung
Die Szene, die die Iren so erzürnte: Thierry Henry (2.v.l.) nimmt den Ball mit der Hand mit, seinen Pass verwertet Gallas (rechts) zum 1:1-Ausgleich.
Die Szene, die die Iren so erzürnte: Thierry Henry (2.v.l.) nimmt den Ball mit der Hand mit, seinen Pass verwertet Gallas (rechts) zum 1:1-Ausgleich. © abendzeitung

Frankreich dank eines Handspiels bei der WM. Iren wittern Betrug: „Wir sind angewidert.“

PARIS Selten hat sich eine Nation nach einer erfolgreichen WM-Qualifikation mehr geschämt als die Franzosen. Am Tag nach dem 1:1 gegen die überlegenen Iren titelte die größte Sportzeitung „L’Équipe“ auf Seite eins: „Die Hand Gottes!“ – und stellte so den direkten Bezug zu Diego Maradona her, der bei der WM 1986 in Mexiko im Viertelfinale gegen England ein Tor mit der Faust erzielt hatte. Am Mittwoch war es im Stade de France Kapitän Thierry Henry, der in der 13. Minute der Verlängerung den Ball, bevor er ins Aus springen konnte, mit der Hand mitführte, zu William Gallas passte, der dann per Kopf den ebenso glücklichen wie unverdienten Ausgleich erzielte.

Kein Wunder, dass Wut die Berichterstattung in Irland und sogar England prägte. „Wir sind bestohlen worden“, schimpfte der „Irish Star“. Der „Irish Examiner“ schrieb: „Diebstahl am hellichten Tag!“ Der englische „Daily Mirror“ konstatierte: „Das „Handspiel von Räuber Henry versagt den Iren ihr WM-Märchen.“ Und genau wie „L’Équipe“ zog auch die „Sun“ die Parallele zum legendären Maradona-Treffer: „Le Hand Gottes – Betrüger Thierry macht einen Maradona“.

„Wir sind angewidert! Sie wollten uns nicht bei der WM“, polterte Irlands Stürmer Robbie Keane, der das Team von der Grünen Insel in Führung gebracht hatte. Auch Teamkollege Richard Dunne fand keinen Trost: „Henry hat mir gesagt, dass wir den Sieg verdient hätten. Aber was soll ich damit? So fühle ich mich noch schlechter.“ Irlands Justizminister Dermot Ahern forderte sogar eine Wiederholung der Partie und erklärte empört: „Sie werden es uns wahrscheinlich nicht bewilligen, weil wir ein kleiner Fisch im Weltfußball sind. Sollte das Ergebnis bleiben, verstärkt es die Sicht, dass man gewinnt, wenn man betrügt.“

Und so blieb es wieder einmal dem Gentleman unter den Trainern vorbehalten, das Fair Play zu wahren. Giovanni Trapattoni, der frühere Bayern-Trainer mit Hang zu Brandreden, tobte zwar im Stadion und mag sich gedacht haben: „Was erlauben Henry?“ Bei der Pressekonferenz weit nach Mitternacht hatte er sich jedoch wieder gefasst und meinte: „Ich mache Thierry Henry keinen Vorwurf. Ich bin sicher, wenn der Schiedsrichter ihn gefragt hätte, hätte er zugegeben, dass es ein Handspiel war.“ Henry, der Profi vom FC Barcelona, versuchte tatsächlich erst gar nicht, sein Vergehen zu leugnen. „Ja, es war ein Handspiel“, sagte der Angreifer, „aber ich bin doch nicht der Schiedsrichter.“ Und genau wie der umstrittene Nationaltrainer Raymond Domenech („Ich habe gewusst, dass wir uns qualifizieren“), wirkte Henry vor allem erleichtert.

Dennoch hagelte es Kritik. Ex-Bayer Bixente Lizarazu, TV-Experte bei TF1, meinte über die Équipe Tricolore: „Das war eine Katastrophe. Es war die schlechteste Leistung einer französischen Nationalmannschaft, die ich in den letzten zwei Jahren gesehen habe. Wir dürfen wahrlich nicht stolz sein.“ Was sogar Verbandschef Jean-Pierre Escalettes zugab: „Es waren zwei Jahre Galeere. Wir waren heute wie gelähmt.“ Aber auch er sagte: „Hauptsache, wir sind qualifiziert.“ Nun ja.

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