Völler holt Adler vom Himmel

Nach Kollegen-Schelte des Nationalkeepers: Heftiger Streit bei Leverkusen, dem Pokalgegner der Bayern.
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„Wenn’s läuft, spielen wir auf einer Welle. Wenn nicht, wehren wir uns nicht“ Nationaltorhüter René Adler übte nach dem 0:1 in Hannover harsche Kritik an seinen Bayer-Kollegen.
dpa „Wenn’s läuft, spielen wir auf einer Welle. Wenn nicht, wehren wir uns nicht“ Nationaltorhüter René Adler übte nach dem 0:1 in Hannover harsche Kritik an seinen Bayer-Kollegen.

Nach Kollegen-Schelte des Nationalkeepers: Heftiger Streit bei Leverkusen, dem Pokalgegner der Bayern.

HANNOVER Hört, hört. Wer René Adler da mit sachlicher, aber deutlicher Stimme – nur im hautengen weißen Funktionshemdchen bekleidet – unmittelbar nach der 0:1-Niederlage bei Hannover 96 so reden hörte, glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. In bester Oliver-Kahn-Manier, nur eine ganze Tonlage überlegter, ging der junge deutsche Nationaltorwart in einer Verbalanklage auf seine eigenen Kollegen, seine Vorderleute bei Bayer Leverkusen los.

„Jeder muss wissen, dass Fußball ein Männersport, ein Kampfspiel ist. Wenn’s läuft, spielen wir auf einer Welle. Wenn nicht, wehren wir uns nicht. Das fängt schon im Training an. Wir müssen uns zusammensetzen, sonst werden wir nach hinten durchgereicht“, kritisierte der 24-Jährige unverhohlen. Außerdem sagte er noch: „Bei uns hat sich ein gewisses Phlegma breitgemacht. Das Phänomen gibt es schon länger. Wir müssen jetzt in der Mannschaft die Karten auf den Tisch legen“, sagte Adler.

Die Berichterstatter hatten Mühe, so eilig mitzuschreiben; in der Regel reicht es beim Leipziger ja mitzuhören, weil sein belangloses Blabla für die Berichterstattung bedeutungslos ist. Aber diesmal? Machte sich Adler angreifbar. Denn wenige Minuten später setzte Rudi Völler noch in den Katakomben vor der Kabine den direkten Konter. Mit den Aussagen seines auf der Linie guten, im Strafraum unsicheren Keepers konfrontiert, setzte der Sportchef eine Miene auf, als habe ihm gerade Waldemar Hartmann den tiefsten aller Tiefpunkte vorgehalten. „René soll die Bälle festhalten – das ist oberstes Gebot.“ Der Tormann solle sich bitteschön an die eigene Nase fassen, „es sagt ja auch keiner was, wenn er unter den Flanken herläuft.“ Und dann rüffelte der in Rage geratene Rudi noch: „Mein guter Rat an den talentierten Nationaltorwart ist, an den Kameras und Mikrofonen vorbeizugehen.“

Schon zu Zeiten von Bruno Labbadias Vorgänger Michael Skibbe hätten ihm einige Äußerungen des blonden Jungtorwarts nicht gefallen. Der sichtlich verärgerte Völler motzte: „Es ist leicht, im Tor zu stehen und zu sagen: Rennt mal schön da vorne!“

Der fast kindische Disput zwischen Völler und Adler, zwei prägenden Figuren des Werksklubs, verdeutlicht, wie dick im Spätwinter 2009 die Luft über dem Bayer-Kreuz geworden ist. Nach drei Rückrundenpleiten sind jetzt alle Saisonziele akut in Gefahr, das DFB-Pokalviertelfinale am Mittwoch gegen Titelverteidiger FC Bayern (20.30 Uhr, ARD live) wird unfreiwillig zum Schlüsselspiel. Völler verlangt unverhohlen nach dem Halbfinaleinzug.

Gemunkelt wird auch von einer ersten, noch sehr leisen Unzufriedenheit an der bislang so vorzüglichen Arbeit von Cheftrainer Labbadia. Warum ist dessen Ensemble mit so formidablen Fußballern wie Renato Augusto nicht Manns genug, den Widrigkeiten - am Samstag: ramponierter Rasen, schlechtes Wetter, aggressiver Gegner - zu trotzen? Warum lässt sich seine Elf nach einem abgefangenen Eckstoß in fünf Zügen auseinanderspielen wie beim 0:1 von Hannovers Holländer Arnold Bruggink (33.)? Der 43-Jährige analysierte den schleichenden Niedergang weg von den internationalen Rängen mit der ihm eigenen, durchaus sympathischen Sachlichkeit.

„Wir wissen um das Problem, dass wir eine junge Mannschaft haben, die vor allem über das Spielerische kommt“, erklärte der Bayer-Trainer. Aber muss sie sich deshalb gleich dem Kampf verweigern? Labbadia widerspricht: „Es ist kein Phlegma, sondern die Rädchen greifen nicht ineinander. Wir betreiben keinen intelligenten Aufwand.“ Der Fußballlehrer mit italienischen Wurzeln räumt indes ein, „dass der eine oder andere Typ fehlt“. Sein Kader ist zwar hoch veranlagt und fraglos talentiert, aber vielleicht sind wieder mal zu viele Charakter vom Typus „netter, braver Schwiegersohn“ angestellt. Genau diese Wahrheit hatte der ehrgeizige Nationaltorhüter Adler ja nur ausgesprochen. Eigentlich schade, dass er das in Zukunft nicht mehr tun darf.

F. Hellmann

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