Vergesst Wembley!
BLOEMFONTEIN - Das nicht gegebene Tor von Frank Lampard weckt Erinnerungen an 1966 – und sorgt für Entsetzen und Mitleid mit dem Erzivalen. Die Engländer klagen: „Das ist eine große Ungerechtigkeit“
Die Sache war so eindeutig, dass es keiner Zeitlupe bedurft hätte. Trotzdem lief die Szene aus der 38. Minute immer wieder über die Bildschirme, genüsslich langsam. Sie war ja – aus deutscher Sicht – zu schön: Wie der von Frank Lampard getretene Ball an die Unterkante der deutschen Latte flog und von dort erkennbar hinter der Linie aufprallte. Es wäre das 2:2 für England gewesen. Fast jeder im Stadion hatte das gesehen, sogar DFB-Präsident Theo Zwanziger auf der Ehrentribüne – nur der uruguayische Schiedsrichter Jorge Larrionda und sein Assistent Mauricio Espinosa nicht. Sie ließen weiterspielen. So gewann Deutschland 4:1.
Natürlich gab es sofort Erinnerungen an Wembley 1966, an Geoff Hursts 3:2 im WM-Finale gegen Deutschland. Damals verlor das DFB-Team in der Verlängerung (2:4), und England feierte. Über jenen Treffer wird heute noch gestritten, ob er drin war oder nicht. Diskussionen, die es beim Bloemfontein-Tor nicht geben wird. So eindeutig, wie der Ball hinter der Linie war.
„Ein unverzeihlicher Fehler“, sagte Ex-Fifa-Schiedsrichter Hellmut Krug in der ARD, „das muss ein Assistent sehen.“ Sah auch Franz Beckenbauer auf „Sky“ so: „Der Linienrichter hätt's sehen müssen. Deutlicher geht's ja nicht mehr. Das war fast ein halber Meter oder 30 Zentimeter!“
Auch Ex-Weltmeister Paul Breitner befand in „Waldis WM-Club“: „Das hätte auch der damalige russische Linienrichter gesehen." Jener Tofik Bachramow, der 1966 in Wembley das englische Tor von Hurst anerkannt hatte (und der, genauer gesagt, aus Aserbaidschan stammte).
In der Europa League wurde in der letzten Saison erstmals der Einsatz von Torrichtern getestet; bei der WM gibt es die nicht. Aber die (oder eine Torkamera) seien auch überflüssig, urteilte Günter Netzer in der ARD: „Fußball ist Drama. Dazu gehören Fehlentscheidungen. Das muss erhalten bleiben, so weh das den Betroffenen auch tut. Wäre Fußball perfekt, hätten wir nicht mehr so eine Freude daran.“
Und wie sah’s Jogi Löw? Der Bundestrainer erklärte später: „Das war zur Halbzeit kein Thema in der Kabine. Oliver Bierhoff (der Teammanager, d. Red.) hatte mir zwar vorher gesagt, dass der Ball drin war, aber ich habe das der Mannschaft nicht gesagt. Ich habe gesagt: Es steht 2:1, und wir müssen das dritte Tor machen.“ Hat geklappt.
fk, ill