Sicherheitsexperte vor EM: "Der Terror kommt nahe"

EM-Gespräch mit Helmut Spahn: Der Sicherheitschef der WM 2006 analysiert die jüngste Verhaftung eines Terroristen in der Ukraine, die Gefahrenlage während des Turniers – und er gibt Fans einen Rat.
Maximilian Koch |
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Zwei Polizisten vor dem Eiffelturm in Paris: "Viele Menschen fühlen sich sicherer, wenn sie mehr Polizei oder Militär sehen", sagt Spahn.
dpa Zwei Polizisten vor dem Eiffelturm in Paris: "Viele Menschen fühlen sich sicherer, wenn sie mehr Polizei oder Militär sehen", sagt Spahn.

München - AZ: Herr Spahn, am Montag wurde bekannt, dass der ukrainische Geheimdienst einen französischen Terroristen mit 125 Kilo Sprengstoff verhaftet hat. Er wollte damit mehrere Anschläge bei der EM verüben. Wie bedrohlich ist die Lage so kurz vor dem Turnier?

HELMUT SPAHN: In Verbindung mit dem kürzlich verhinderten Anschlag in Düsseldorf würde ich die Verhaftung eher positiv bewerten und weniger besorgniserregend. Es zeigt, dass die Sicherheitsbehörden ihren Job gut machen. Das ist ein positives Signal Richtung Europameisterschaft.

Sie waren im Jahr 2006 bei der WM in Deutschland der Sicherheitsbeauftragte des DFB. Ist die Gefahr für Fans und Spieler heute größer als damals?

Die terroristische Bedrohung ändert sich sehr schnell, deshalb kann man das nicht vergleichen. 2006 hatten wir alle noch die Bilder von 9/11 im Kopf. Heute haben wir eine neue Form der Bedrohung durch den IS. Rein statistisch gab es früher mehr Opfer im Bereich terroristischer Anschläge als heute. Nur ist die mediale Berichterstattung eine ganz andere, dadurch ändert sich auch die Wahrnehmung. Ein größeres Bedrohungsszenario wird suggeriert, das aber faktisch nicht der Fall ist.

Während des Länderspiels Frankreich gegen Deutschland im November explodierten vor dem Stadion in Paris Bomben. Viele Fans werden mit einem mulmigen Gefühl nach Frankreich reisen.

Wir hatten auch in der Vergangenheit schon Anschläge, die sich gegen Sportveranstaltungen gerichtet haben. Man kann zurückgehen bis zu den Olympischen Spielen 1972 in München. Das ist also nichts Neues. Neu ist, dass dieses Thema so präsent ist, dass der Terror nahe kommt. Diese Bedrohung richtet sich gegen unsere Freiheit und unsere Gesellschaft. Und da ist Sport natürlich ein wichtiger Teil.

Inwieweit werden die Sicherheitsvorkehrungen nun noch mal verstärkt vor Beginn des Turniers?

Man ist als Verantwortlicher natürlich ein Stück weit ein Getriebener, man steht im Fokus der Öffentlichkeit und muss etwas transportieren. Oft wird dann mehr Geld investiert, mehr Personal. Ob das mehr Sicherheit bringt, möchte ich mal offen lassen. Die terroristische Bedrohung gab es schon vor den Anschlägen in Paris und Brüssel. Wenn man seriös und professionell plant, muss das ohnehin ein großes Thema bei den Verantwortlichen gewesen sein. Eine Risikoanalyse macht man täglich. Die besten Maßnahmen sind die, die im Hintergrund laufen, die man nicht wahrnimmt, die man nicht öffentlich kommentiert. Aber natürlich ist auch das Sicherheitsgefühl der Zuschauer ein Grundrecht, ein hohes Gut, viele Menschen fühlen sich sicherer, wenn sie mehr Polizei oder Militär sehen.

Lesen Sie hier: Bilder: DFB-Team sicher in Frankreich gelandet

Können die Fans ohne Angst zur EM reisen?

Ja. Es wird alles getan, um die Veranstaltung sicher zu machen. Ein Besuch der EM ist genauso sicher wie jeder andere Besuch von öffentlichen Veranstaltungen in der heutigen Zeit. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich tödlich im Auto verunglücke, ist um ein Vielfaches höher, als Ziel eines Anschlags zu werden. Ich gehe davon aus, dass die Behörden ihre Hausaufgaben machen. Wenn es konkrete Bedrohungsszenarien gibt, wird man dementsprechend reagieren. Also: vielleicht ein bisschen aufmerksamer sein als Fan, aber auch gelassen. Bei aller Bedrohung sollte ein Sportevent immer noch ein Sportevent sein. Wenn wir uns von diesen Terroristen in unseren Freiheitsrechten einschränken lassen, erreichen die genau das, was sie wollen. Das sollten wir nicht zulassen.

Sie kennen sich beim DFB gut aus. Wird man dort nach den Erfahrungen von Paris zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen ergreifen, um die Mannschaft zu schützen?

Beim DFB ist man im höchsten Maße und professionellstem Sinne vorbereitet. Ich bin hundert Prozent sicher, dass dort alles für die Sicherheit getan wird. Die Sicherheitsstandards sind enorm hoch. Das Hotel, die Trainingsplätze, die Wege vom Hotel zum Training, zum Stadion - das wird alles geschützt, das ist höchstes Niveau. Auch hier gilt: Mehr Personal muss nicht mehr Sicherheit bringen, man braucht ein intelligentes, flexibles Konzept.

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