Schwarzenbeck: "Diesmal schaffen sie's"
AZ: Herr Schwarzenbeck, Sie waren dabei beim ersten deutschen EM-Gewinn, damals 1972. Welche Erinnerungen haben Sie an das Turnier?
GEORG SCHWARZENBECK: Gute Erinnerungen, weil wir ja gewonnen haben. Dann erinnert man sich immer gern.
Sie waren Teil einer recht besonderen Mannschaft.
Stimmt. Das war zu dieser Zeit schon eine besondere Mannschaft mit besonderen Spielern. Eine der besten Mannschaften, die es damals gegeben hat. Mit all den Namen – die brauch’ ich ja nicht aufzuzählen, die kennen Sie selbst. Ich bin 1971 Nationalspieler geworden und gleich in der nächsten Saison Europameister – das war schon ein schönes Erlebnis.
Das legendäre 3:1 im Viertelfinale gegen England gilt als Geburtsstunde dieser großen Mannschaft. Wie haben Sie diese Partie erlebt?
In Wembley gegen England zu spielen, das war schon mal was Besonderes. Vor dem Spiel haben die Gladbacher und auch wir Bayern-Spieler in der Bundesliga ein wenig geschwächelt, waren ein bissl verängstigt, ob wir in England überhaupt bestehen können.
Dafür lief es aber ordentlich. In der zweiten Hälfte war es dann eine Abwehrschlacht. Gegen wen mussten Sie ran?
Gegen einen gefürchteten Mittelstürmer, der in der Saison sehr viele Tore geschossen hatte: Martin Chivers von den Tottenham Hotspurs. Aber es lief sehr gut für uns, obwohl wir natürlich hinten reingedrängt wurden.
Beim 3:0 im Finale gegen die UdSSR haben Sie dann Gerd Müller fast ein Tor stibitzt.
Eigentlich hätte ich da selbst ein Tor schießen können, aber der Gerd war einen Tick schneller als ich. Da war ich sehr nahe an einem Tor – was mir ja nicht so oft passiert ist. Aber im Nachhinein war die Partie gegen die Russen das leichtere Spiel.
Der erste große Titel für ein deutsches Team seit 1954 – Mannschaft des Jahres wurde in diesem Jahr allerdings das Hockey-Nationalteam, der Olympiasieger.
Mei, die Europameisterschaften hatten damals halt noch nicht so eine Bedeutung wie heute.
Auch das hat sich geändert. Was trauen Sie dem DFB-Team heuer zu?
Das Freundschaftsspiel gegen die Schweiz ist für mich schon wieder vergessen, deshalb tippe ich, dass unsere Mannschaft ins Endspiel kommt. Alles andere wäre schon sehr enttäuschend. Wir haben eine hervorragende Mannschaft. Innerlich glaube ich, dass sie es diesmal schaffen.
Noch optimistischer wären Sie wohl nach einem Champions-League-Sieg der Bayern gewesen.
Es wird durch die EM nun ein bissl in den Hintergrund gedrängt. Jetzt geht’s um die Europameisterchaft, nicht mehr um das Bayern-Spiel! Aber als Spieler vergisst man das nie, weder positiv noch negativ. Die EM ’72 oder die WM ’74 vergesse ich auch nie.
Was war denn Ihr schlimmstes Erlebnis im Fußball?
Ich habe zuletzt mal ein bisschen darüber nachgedacht, kann mich aber an gar nichts Schlimmes erinnern. Die Endspiele, die wir in den 70ern hatten, haben wir alle gewonnen. Bis auf 1976 bei meiner zweiten EM in Belgrad. Aber da war die Mannschaft schon nicht mehr so komplett, einige hatten aufgehört. Da war die Enttäuschung nicht mehr so groß, dass wir da im Endspiel verloren haben. So ein Erlebnis wie die Bayern nun gegen Chelsea hatte ich Gott sei Dank nicht.
Waren Sie im Stadion?
Ja, ich war eingeladen. Nach dem 1:0 war ich so ruhig wie selten und hab’ gedacht: ,Das schaffen die!’ Chelsea war ja praktisch nie vors Tor gekommen. Aber wenn ich doch weiß, dass Standardsituationen bei Chelsea gefährlich sind, dann stell’ ich mich als Mannschaft doch darauf ein! Aber das war leider nicht so. Und dass dieser Drogba ein Torjäger ist, den man 80 Minuten lang nicht sieht und der trotzdem gefährlich ist, das weiß man doch vorher. Ich verfolge das zwar nicht mehr, aber das habe selbst ich mitbekommen. Aber da brauchen wir nicht mehr drüber zu reden, das ist vorbei.
Dafür geht jetzt die EM los. Wen würden Sie als Ex-Vorstopper in die Abwehr stellen?
Boateng rechts, Lahm links, Badstuber und Hummels innen. Mertesacker ist noch weit weg von seiner Form. Der ist nicht richtig fit. Wenn du lange verletzt warst und so groß bist wie der, hast du mehr Probleme als ein Kleiner. Der ist wendiger und schneller wieder da. Das hab’ ich an mir selbst gemerkt, obwohl ich nicht so oft verletzt war – und nicht so groß bin wie der Mertesacker.