„Schöner als jeder Traum“

Schewtschenko musste sich vor der EM als Rentner verspotten lassen. Gegen Schweden erlebte er den größten Tag seiner großen Karriere und versetzte ein Land in den Ausnahmezustand.
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„Hätte ich vorher einen Traum gehabt, er hätte nicht schöner sein können.“
dpa „Hätte ich vorher einen Traum gehabt, er hätte nicht schöner sein können.“

Andrej Schewtschenko musste sich vor der EM als Rentner verspotten lassen. Gegen Schweden erlebte er den größten Tag seiner großen Karriere und versetzte ein Land in den Ausnahmezustand.

Kiew - Andrej Schewtschenko war den Tränen nahe. Vor einem halben Jahr war der frühere Weltstar praktisch Sportinvalide, er spielte besser Golf als Fußball – nun erlebte er die Krönung seiner großen Karriere und versetzte sein gesamtes Heimatland in Ekstase. Experten und Medien feierten ihn als „Gott“, die Fans ehrten ihn mit nicht endenden wollenden 'Schewa, Schewa!"-Rufen. Und der Hauptdarsteller selbst wusste gar nicht mehr, wohin mit seinen Emotionen. 'Was für ein großer und historischer Tag für mich und für die Ukraine!", sagte der 35-Jährige sichtlich bewegt.

Dass er beide Treffer (55./62.) zum 2:1 (0:0) gegen Schweden erzielt hatte, konnte er kaum fassen: „Hätte ich vorher einen Traum gehabt, er hätte nicht schöner sein können.“ Nach seiner Auswechslung unter ohrenbetäubendem Jubel (81.) hatte er die letzten zehn Minuten bibbernd und bangend am Spielfeldrand verbracht, nach dem Schlusspfiff wollte er die ganze Welt umarmen. Schewtschenko fiel Trainer Oleg Blochin in die Arme, rannte triumphierend in die Kurve und genoss die bebende Stimmung im Tollhaus Olympiastadion. Doch schon Minuten später kamen all die schweren Momente der vergangenen Monate wieder hoch.

„Ich hatte Probleme mit dem Knie, ich hatte Schmerzen im Rücken und ich habe schon nicht mehr daran geglaubt, dass ich diese einzigartige EM vor meinen Fans noch erleben werde“, erklärte er, immer noch etwas ungläubig. Er fühle sich, als sei er in einen Jungbrunnen gefallen. „Heute bin ich topfit und überglücklich. Ich fühle mich nicht mehr wie 35, sondern wie 20.“ Als „Opa“ und „Rentner“ hatte er sich verspotten lassen müssen, seine EM-Nominierung war außerhalb der Ukraine als schlechter Witz aufgefasst worden.

Und nun erlebte der Mann, der 2003 die Champions League gewann, der 2004 Europas Fußballer des Jahres war, in seiner Stadt, in seinem Stadion den größten Tag seiner einzigartigen Karriere. „Der Held des ukrainischen Volkes, der Kapitän unserer Auswahl, oder einfach nur der Gott des ukrainischen Fußballs“, schrieb das Fachblatt Sport Ukrayne. Es passt deshalb ins Bild, dass es eine Legende war, die ihm die Kraft und den Glauben an seine Wiederauferstehung gab. Es war die „Legende vom Bessarabischen Tor“.

Dieses ist zum Bessarabischen Platz in Kiew gerichtet, „und alle Fans glauben, dass alle wichtigen Tore, sowohl von Dynamo Kiew als auch von der Nationalelf, nur auf dieser Seite fallen“, erklärte Schewtschenko mit funkelnden Augen. Natürlich war es dieses Tor, in das er nach dem 0:1 von Zlatan Ibrahimovic (52.) zweimal per Kopf traf. Blochin saß schmunzelnd daneben, als Schewtschenko die Geschichte erklärte. „Schon ich habe damals alle wichtigen Tore auf dieser Seite erzielt“, sagte der ehemaliga Weltklasse-Stürmer:

„Und mein Assistent hat vor dem Spiel zu mir gesagt: Zeit, das Bessarabische Tor zu öffnen.“ So viel Pathos sorgte nicht nur für spontane Feten in allen ukrainischen Großstädten und ein minutenlanges Feuerwerk in Charkow, es rief auch den viel kritisierten Staatspräsidenten auf den Plan. Ein Foto mit Schewtschenko und Blochin, ein paar große Worte an das Volk: Wiktor Janukowitsch nutzte das Rampenlicht in bester Politikermanier. „Ich gratuliere uns allen zu diesem glänzenden Sieg“, sagte er. Kerniger drückte sich Andrej Woronin aus.

'Eine EM zu Hause, dann gleich ein Sieg – das ist richtig geil", sagte der langjährige Bundesliga-Stürmer: „Wir haben noch gar nicht verstanden, was wir geschafft haben. Wir Spieler feiern nun ein bisschen, die Leute können richtig abgehen. Wir sind froh, dass wir ihnen so viel Freude schenken konnten.“ Das war in erster Linie das Verdienst Schewtschenkos. Dem ersten und bisher einzigen EM-Torschützen der Ukraine, dem zweitältesten in der Geschichte des Turniers – oder einfach nur dem Fußball-Gott.

 

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