Ronaldo - "Er gehört zu uns"

Ronaldo schießt Portugal mit seinem 1:0 gegen Tschechien ins Halbfinale. Endlich ist der Superstar nicht nur „der Beste der Welt”, sondern auch ein Teil des Teams.
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Ronaldo, einst egozentrischer Eigenbrötler, schießt Portugal mit seinem 1:0 gegen Tschechien ins Halbfinale. Endlich ist der Superstar nicht nur „der Beste der Welt”, sondern auch ein Teil des Teams.

WARSCHAU Vincente del Bosque ist als Mann bekannt, der alles untersucht, wenn es um die Gegner Spaniens geht. Der Welt- und Europameister muss zwar am am Samstag noch Frankreich schlagen, um ein Halbfinale gegen Portugal zu erreichen. Am Abend vor dem Duell gegen Franck Ribery und Co. aber folgte del Bosque in Donezk – 1500 Kilometer von Warschau entfernt – einer Eingebung. Der, dass sich ein Blick nach Warschau ins Zentralstadion lohnen könnte. Der spanische Nationaltrainer sah Erstaunliches.


Er sah Cristiano Ronaldo als Letzten der Portugiesen an kalten Betonwänden vorbei auf den Weg zum Mannschaftsbus schreiten. Und er spürte dieses neue Gefühl, das Ronaldo umgab, den Dutzende Kamerateams begleiteten. Der 27-jährige Stürmer von Real Madrid wirkte immer noch wie der Chef, der bei Betriebsschluss alles kontrolliert, weil ihm der Laden gehört und man nie sicher sein kann, ob nicht doch einer das Licht brennen ließ. Ronaldo war auch gegen die Tschechen Portugals Chef, exzentrisch, launisch, eine Klasse besser als alle anderen, sich über jeden Fehlpass ärgernd und jeden Rempler seiner Gegenspieler echauffierend. Trotz der gewohnten Abläufe hatte sich Entscheidendes geändert. Ronaldo war keine Last mehr für Portugal. Portugal schaffte es, seinen Star durch ein effektives Mittelfeld und eine stabile Abwehr zur Geltung zu bringen und ihn Teil des Spiel werden zu lassen.


Die Seleccao stürmte durch sein wuchtiges Kopfballtor (79.) und seine Energie mit 1:0 über Tschechien ins EM-Halbfinale. Dieses Mal aber riss der Einzelkämpfer Ronaldo Portugal in einer neuen Rolle mit. Die Symbiose Superstar und Mannschaft lässt den EM-Zweiten von 2004 zum ernsthaften Kandidaten fürs EM-Finale am 1. Juli in Kiew werden. In ein mögliches Halbfinale gegen Spanien geht Portugal nicht mehr als Außenseiter. Nebenbei steht Ronaldo vor der Krönung zum König der EM.


„Einen Topspieler wie ihn zu haben, macht die Sache einfacher”", sagte der ehemalige Bremer Hugo Almeida. „Aber wir sind als Team stark. Wir haben den Willen zusammen ein Spiel zu gewinnen, Ronaldo gehört zu uns.” Mittelfeldspieler Nani meinte: „Wir sind sehr zuversichtlich. Cristiano Ronaldo hat die entscheidenden Tore für uns geschossen. Aber er hat eine starke Mannschaft hinter sich, deshalb hat er so viele Chancen.”


Trainer Paulo Bento sprach von perfekter Taktik. Die sah so aus: Vorne Ronaldos unvergleichliche Angriffsgewalt, dahinter eine aufmerksame Abwehr und ein Mittelfeld, das ihm die Bälle servierte und bei schöpferischen Pausen in die Bresche sprang. Das Mittelfeld trumpfte mit einer bemerkenswerten Pass-Quote auf: Joao Moutinho 82 Prozent, Raul Meireles 70 und Miguel Veloso 72.
So glanzvoll wie die Portugiesen im Gefühl des Sieges ihre Leistung beschrieben, war die freilich nicht. In der Anfangsphase tat sich der EM-Halbfinalist von 2004 schwer. Ronaldo hatte auf der linken Außenbahn mehr Probleme mit Gebre Selassie als ihm lieb war. Der Ausnahmestürmer von Real Madrid fand einen Ausweg. Er verschwand. Mal in die Mitte, mal auf die andere Seite, mal zog er sich ins Mittelfeld zurück. Ronaldo war überall. „Sie hatten keine einzige Torchance. Es war ein schlicht phänomenaler Abend. Jetzt wollen wir ins Finale”, jubelte Ronaldo.


Artig bedankte sich der Mann mit der Nummer 7. „Das war ein Sieg der Mannschaft.” Tatsächlich war es Ronaldos chronische Erfolgs-Besessenheit, die Portugal die Unruhe der ersten halben Stunde überwinden ließ, als die Tschechen in der Lage schienen, für eine Sensation zu sorgen. Portugals Spiel schleppte sich ohne Inspiration wie leblos dahin.


Für eine Weile schien sich der Fluch großer Turniere zu wiederholen, der Ronaldo wie ein unheilvoller Schatten begleitet. So überragend er bei seinen Klubs spielte, so drastisch der Leistungsabfall im Nationalteam. Nach seinen zwei Toren gegen die Niederlande fällt der mit 94 Millionen Euro teuerste Spieler in Polen durch ein Angriffsfeuerwerk auf, gegen das es kein Mittel zu geben scheint. Gegen Tschechien traf er zweimal den Pfosten. An den meisten der 20 Chancen Portugals war er beteiligt.


„Er ist der Beste der Welt”, sagte Almeida. „Er ist das ganze Jahr in guter Form. Aber wir sprechen nicht über das, was kommt, wir genießen den Augenblick.”
Weder Spanier noch Frankreich werden aber Ronaldo und Portugal so viel Platz lassen wie die hilflosen Tschechen. Grenzen aber scheint es für Portugal und seinen Chef bei der EM 2012 nicht mehr zu geben.


Das hat sich Vicente del Bosque sicher notiert.

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