Riesengaudi in Ösiland

Wie unsere Nachbarn sich auf die Fußball-EM mental vorbereiten. Es kein Entkommen. Jede Auslage. Jede Werbung. Jedes Fetzchen öffentlicher Raum – überall das Logo und die Maskottchen.
von  Abendzeitung
Rotweißroter Spaßtaumel: Die Zacken der Fußball-EM-Maskottchen Trix (li.) und Flix symbolisieren die Alpenkämme, die die Schweiz und Österreich verbinden.
Rotweißroter Spaßtaumel: Die Zacken der Fußball-EM-Maskottchen Trix (li.) und Flix symbolisieren die Alpenkämme, die die Schweiz und Österreich verbinden. © dpa

Wie unsere Nachbarn sich auf die Fußball-EM mental vorbereiten. Es kein Entkommen. Jede Auslage. Jede Werbung. Jedes Fetzchen öffentlicher Raum – überall das Logo und die Maskottchen.

Von Marlene Streeruwitz

Es wird wunderbar werden. Gestern abend. Wir fuhren quer durch Wien. Von einem Ende zum anderen gab es eine einzige grüne Welle. Erst nach 17 Ampeln musste bei Rot stehengeblieben werden. An jeder Kreuzung standen Polizisten und halfen mit roten Leuchtstäben nach, den Verkehrsfluss zu beschleunigen. Es wurde für die Europameisterschaft geprobt. Wer mit dem Auto zum Stadion will. Oder wieder weg. Der gestrigen Probe folgend, wird das so schnell möglich sein wie sonst nie eine Fahrt durch Wien schnell sein kann. Hurra!

Es wird auch umwelttechnisch wunderbar werden. Im Stadion werden Mehrweg-Becher verwendet werden dürfen. Wenn also dann alle sich lange nach dem Spiel aus dem Stadion hinausgewurschtelt haben, dann können die unter die Sitze geworfenen Becher eingesammelt und wieder verwendet werden. Hurra.

Juchhu. Die Uht tickt

Auf dem Ring beim Burgtheater ist es schon wunderbar. Eine große Uhr tickt die Tage und Stunden herunter, die bis zur Eröffnung der Europameisterschaft noch abzuwarten sind. Würde einen Fußball nicht interessieren, dieser Countdown gemahnt an die Vergänglichkeit. Wie der Fußball selber eine einzige, immer gleich vergangene Gegenwart ist, die nach der nächsten Gegenwart gieren muss. Da hat jeder und jede etwas davon. Juchhu.

Und das ist auch besser so. Es gibt nämlich kein Entkommen. Jede Auslage. Jede Werbung. Jedes Fetzchen öffentlicher Raum – überall das Logo und die Maskottchen. Ich bin froh, dass mir die Sponsoren das Logo gleich am Beginn der Homepage erklären. Die Zacken über dem Fußball bedeuten die Alpenkämme, die die Schweiz und Österreich verbinden. Das ist gut so. In Wien müssen wir schon immer wieder daran erinnert werden, dass Österreich ein Alpenland ist. Hier ist ja nicht so viel davon zu merken. Dafür verstehen wir dann den zarten metrosexuellen Hinweis der Armbänder der Maskottchen deutlicher. Hurra.

Fernsehfußball ist etwas anderes als Fußball live

Wunderbar ist auch, dass der Wiener Bürgermeister sich so freut, dass internationaler Fußball in Wien gespielt werden wird. Das ist ja auch dringend notwendig. Fernsehfußball ist ja etwas ganz anderes als Fußball live. Wenn man nun immer nur den hiesigen Live-Fußball serviert bekommt, dann könnte das Fußballschauen an sich verloren gehen. Auch die Zuschauer können nur so gut sein wie ihre Mannschaften.

Da ist eine kleine Qualitätskontrolle über diese Internationalisierung hilfreich. Zumindest als Erinnerung. Verändern wird auch dieses Turnier nichts. Die Großen werden kommen und spielen und wir werden wieder zurückbleiben. Nicht hurra.

Aber vielleicht hilft uns dann dieser wunderbare riesige Fußball beim Riesenrad. Oder die Überbleibsel vom Fancamp, in dem 3000 Gleichgesinnte getrennt in Männer und Frauen und gemischte Bereiche ein garantiert regensicheres Dach über dem Kopf in Stadionnähe finden werden. Wird es viele Plätze für alleinreisende Frauen geben? Und wie ist das überhaupt geregelt? Das mit den Männern und den Frauen? Wahrscheinlich wenig hurra.

Fussballopern vor dem Spiel?

Das Dach über dem Kopf wird wahrscheinlich nicht gebraucht werden. Vor und nach dem Spiel gibt es Kulturprogramm. Ausstellungen. Kunstzonen. Fußballopern. Musicals. Kulturmeilen. Die Kunst hastet hinter dem Sport hinterdrein und will die Sportfans mitumgarnen. Viel retro. Die große Stunde des österreichischen Fußballs wird neu inszeniert werden. „Das Wunder von Cordoba" wird in einer Neuinszenierung im Hanappi-Stadion aufgeführt. Das ist die wahre Sportkunstmuseumfusion. Theaternostalgie statt Fußballdrama.

Aber was soll es. Irgendetwas muss zwischen den Public Viewings ja gemacht werden. Die Sportnomaden müssen Ziele des Herumwanderns bekommen, und das wird wunderbar bunt werden. Wiener oder Wienerinnen wird es nicht zu sehen geben. Die einen werden verreist sein. Die anderen sich in Fans verwandeln und unerkannt in den Massen untertauchen. Das ist fast notwendig. Denn derzeit wird in der Innenstadt an jeder Ecke erhoben, wie die Wiener und Wienerinnen sich so fühlen. In Erwartung der Europameisterschaft. Als wäre eine kleine Erlösung zu erwarten, fragt einen der Reporter des tschechischen Fernsehens danach.

Wahrscheinlich ist so ein Festival ohnehin das, was am ehesten einem Fronleichnam gleicht. Und weil wir alle sportlich sind, sagen wir brav, dass wir uns super fühlen. Und ja. Bitte. Ins Fancamp sind die eigenen Leintücher mitzubringen. Bis dann also und hurra.

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