Platini kritisiert FIFA-Entscheidung: Reformen stocken
Von wegen Urlaub unter Palmen: Mit einer verbalen Breitseite hat UEFA-Boss Michel Platini die jüngsten Reformbeschlüsse des FIFA-Exekutivkomitees kritisiert und dem Kongress des Fußball-Weltverbandes auf der Sonneninsel Mauritius noch mehr Brisanz beschert.
Port Louis - "Die FIFA möchte sich jetzt noch ein Jahr Zeit lassen. Aus Sicht der UEFA ist dies nicht nötig, da schon seit zwei Jahren über diese Fragen diskutiert wird", kommentierte Platini die Verschiebung einer Abstimmung über ein Alterslimit und eine Amtszeitbeschränkung für FIFA-Funktionäre bis zum Kongress 2014.
FIFA-Chef Joseph Blatter hatte sich von dem Familientreffen auf der Sonneninsel vor allem eines versprochen: Harmonisch und bestenfalls einstimmig, sollten die letzten wichtigen Punkte seiner Demokratie-Reform beschlossen werden. Endlich sollte die FIFA nach den Korruptionsskandalen wieder im strahlenden Licht erscheinen.
Daraus wird nun nichts. Spätestens durch die Platini-Aussagen wurde Blatter noch vor seiner Eröffnungsrede im Swami Vivekananda International Convention Centre von Port Louis von der Realität eingeholt.
Im Geflecht der Machtinteressen seiner Funktionärskollegen aus aller Welt sind viele Reformpunkte sogar für den mächtigen Blatter nicht oder noch nicht durchsetzbar. Platini preschte aus zwei Gründen vor. Erstens will er sich ein Saubermann-Image verpassen. "Die UEFA muss sich auf jeden Fall nicht vorwerfen lassen, dafür verantwortlich zu sein, dass die FIFA-Reformen nun ins Stocken geraten sind", sagte der Franzose. Und zweitens: Nach dieser öffentlichen Attacke ist klar, dass Platini den Machtkampf mit Blatter nicht scheut und ihn 2015 im Kampf um das Präsidentenamt herausfordern will.
Für Blatter gleicht die Lage einem Dilemma. Ob das Reformbemühen des Schweizers redlich ist oder nicht, bleibt in der öffentlichen Wahrnehmung sekundär. Ein Faktencheck des von Theo Zwanzigers Statutenkommission im Herbst 2012 ausgearbeiteten Zehn-Punkte-Plans, der als Blaupause für die Mauritius-Tagung diente, offenbart jedoch wenig greifbare Resultate: (Noch) kein Alterslimit, (noch) keine Amtszeitbeschränkung und praktisch keine Änderungen für Berufung und Kompetenzen der Gremien FIFA-Exekutivkomitee und International Football Association Board.
Beschließen werden die 209 Delegierten am Freitag unter anderem eine Neuordnung der WM-Vergabe durch den Kongress anstatt der Exekutive und die Einführung eines Integritätschecks für alle Würdenträger, der allerdings von Anti-Korruptionsexperten als unzureichend kritisiert wird.
Letzter Rückschlag war die von Platini kritisierte Verschiebung der Entscheidung über eine Altersgrenze und eine Amtszeitbeschränkung durch die FIFA-Exekutive. Die Sportbeauftragte von Transparency International konnten die neuesten Entwicklungen nicht mehr schocken. "Da liegt noch so viel anderes im Argen, da wundert es mich nicht, dass sie das auch nicht hinbekommen", sagte Sylvia Schenk der dpa.
Blatter warb um Verständnis: "Wir haben den Kongress um mehr Zeit gebeten, um eine machbare Lösung zu finden, bis Freitag war das nicht möglich", sagte er. Platini sieht das anders. "Die UEFA möchte am ursprünglichen Zeitrahmen, der von Sepp Blatter selber gewünscht, versprochen und bekanntgegeben worden war, festhalten und die Reform zu Ende führen."
Heftig wurde in dem FIFA-Gremium gestritten. So viele Wortmeldungen wie selten zuvor habe es gegeben, sickerte durch. Nach dpa-Informationen drohte die Lage sogar zu eskalieren. Im Exekutivkomitee stritten die sieben Vertreter aus Europa mit den Funktionären aus dem Rest der Welt. Wenigstens ein Vorschlag solle dem Kongress vorgelegt werden, forderten die UEFA-Gesandten inklusive Ex-DFB-Präsident Zwanziger, um über diesen demokratisch abstimmen zu lassen.
Die Mehrheit der Exekutive war dagegen. Zu groß schien die Gefahr einer Ablehnung und damit eines weiteren Imageschadens. Nun wird dem Kongress eine Verschiebung auf 2014 nahegelegt. Platini kann den Sinn nicht erkennen: "An der Ausgangslage wird sich in einem Jahr nichts geändert haben."
Mit einer Revolte der europäischen Verbände am Freitag wird nicht gerechnet. Theoretisch könnten sie die Abstimmung unter dem Punkt Verschiedenes erzwingen. Das würde die FIFA-Familie aber spalten und letztlich schädlich für Platinis eigene Ambitionen sein. Will er wirklich FIFA-Präsident werden, braucht er mehr als 53 UEFA-Stimmen und darf es sich mit dem Rest der Fußball-Welt nicht verdrießen.
Bitter für Blatter ist, dass die bereits vollzogenen oder am Freitag zu beschließenden Reformschritte wie die Modernisierung der Ethikkommission oder das neue Verfahren der WM-Vergabe aus dem Blickfeld geraten. Alles kapriziert sich auf die unterschiedlichen Vorstellungen von ihm und Platini. Blatter (77) ist gegen ein Alterslimit von 72 Jahren - dies würde ihm 2015 eine weitere Kandidatur ermöglichen. Platini (fast 58) ist dafür. Blatter ist für eine Amtszeitbeschränkung auf 2 x 4 Jahre, Platini will 8 + 4 Jahre. Dann wäre er bei einer Wahl im Jahr 2015 zwölf Jahre später 72. Manche Rechenspiele allein enttarnen die Motivation der Protagonisten.
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