Panini-Sticker: Tausche Neuer gegen Özil

Einen Monat vor Beginn der Fußball-EM sind Sammelbilder und Sticker allgegenwärtig – auch in der digitalen Welt. Wer von dem Geschäft profitiert und was es kostet, ein Heft zu füllen.
von  az
Vom Sammelvirus sind bereits die Kleinsten – hier mit Panini-Heftchen von der WM 2014 – infiziert.
Vom Sammelvirus sind bereits die Kleinsten – hier mit Panini-Heftchen von der WM 2014 – infiziert. © dpa

Fast rund um die Uhr rattern, surren und stampfen im norditalienischen Modena derzeit die Maschinen. Bis zu acht Millionen Tüten mit Sammelbildern werden im Werk des italienischen Unternehmens Panini jeden Tag produziert und in alle Welt verschickt. Etwa einen Monat vor Beginn der Fußball-EM herrscht bei dem berühmten Sticker-Hersteller Hochbetrieb. „Im Vergleich zur letzten EM erwarten wir uns einen deutlich höheren Absatz“, sagt Produktionsleiter Giuseppe Tagliavini. „Es wird in Frankreich gespielt, einem Markt, wo das Interesse viel größer sein sollte.“

Wichtigster Markt für Panini ist Deutschland. Doch nicht nur die Italiener wollen von der Sammelleidenschaft der Fußball-Fans profitieren. Auch Deutschlands zweitgrößter Lebensmittelhändler Rewe lockt seit Anfang Mai mit Sammelkarten der deutschen Nationalmannschaft.

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Das Prinzip: Für je zehn Euro Einkaufswert erhält der Kunde eine „offizielle DFB-Sammelkarte“. Insgesamt gibt es 36 Motive – neben 30 verschiedenen Spielerkarten kommen auch das Trainer-Trio, die Fans der deutschen Nationalmannschaft als zwölfter Mann, das DFB-Emblem und das Team-Maskottchen Paule zu Kartenehren. Für Marketing-Experte Martin Fassnacht scheint der Erfolg der Aktion programmiert. „Aus der Sicht der Supermärkte rechnet sich das allemal. Die Kinder drängen ihre Eltern, wegen der Bilder dort einkaufen zu gehen. Und die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die Eltern zumindest hin und wieder dem Wunsch ihrer Kinder nachgeben“, meint er.

„Es gibt erwachsene Sammler, die sich an ihre Kindheit erinnern“

Auch der Süßwarenhersteller Ferrero setzt auf die Anziehungskraft der deutschen Nationalmannschaft und lockt zur Fußball-EM mit Team-Cards in seinen Aktionspackungen. Einen anderen Weg geht Deutschlands zweitgrößter Discounter Lidl. Er verzichtet auf eine eigene Kartenkollektion, setzt stattdessen auf die Zusammenarbeit mit Panini und lockt mit kostenlosen Sammelbildern für Kunden. Auch Coca Cola und McDonald’s kooperieren mit Panini. Panini, das seit dem ersten EM-Album 1980 die Rechte für bislang alle Fußball-EMs besitzt, hat sein Angebot in diesem Jahr noch einmal ausgebaut: Neben den klassischen Stickern und Sammelkarten gibt es dieses Mal auch Sammelfiguren und Online-Produkte, die für noch mehr Umsatz sorgen sollen.

„Es gibt auch erwachsene Sammler, die sich an ihre eigene Kindheit erinnern oder mit den Kindern sammeln“, sagt Redaktionsleiter Fabrizio Melegari.

Zwar will Panini mit Apps und Online-Angeboten auch den Trend zum Digitalen für sich nutzen, doch an die Zukunft des gedruckten Albums glaubt man in Modena fest. „Es gibt auch Charakteristika des physischen Produktes, die das Digitale nicht erreichen kann“, sagt Melegari. „Die Freude, einen Spieler zu haben, ihn sofort in der Hand zu halten. Wenn man eine Tüte mit Sammelbildern öffnet, hört man das Geräusch des Papiers, man riecht die frisch gedruckten Sticker.“

Und auch Marketing-Experte Fassnacht glaubt an den Erfolg der Aktionen und Angebote zur EM. „Fußball-Sammelbilder sind einfach ein hervorragendes Instrument zur Kundenbindung. Wir sind einfach Jäger und Sammler“, meint er.

Bleibt die Frage, was es in der Summe kostet, das aktuelle EM-Stickeralbum vollzumachen. Dafür braucht ein Sammler insgesamt 680 Sticker. Und wer keine leeren Fleckerl in seinem Heft haben möchte, muss dementsprechend tief in die Tasche greifen. Paul Harper, Professor an der Universität Cardiff, hat errechnet, dass es im Schnitt 522,90 Euro kostet, dass Heftchen vollzukleben – vorausgesetzt, der Sammler tauscht nicht, etwa über Internet-Börsen. Harpers Rechnung: Jedes Tütchen kostet 70 Cent mit fünf Klebebildern. Um die Mindestanzahl an Stickern beisammenzuhaben, braucht man also 136 Tütchen, sprich 95,20 Euro.

Aber: Kein Sammler schafft es, so Sticker zu kaufen, ohne „doppelte“ Bildchen zu bekommen, die man bereits besitzt. „Je mehr man sammelt, desto höher ist die Chance, doppelte Sticker zu erhalten“, sagt Harper. „Die Mathematik sagt uns, dass man im Schnitt 747 Päckchen brauchen wird.“ Satte 522,90 Euro, ziemlich viel Geld. Aber über Sinn und Unsinn von Sammel-Leidenschaften kann man sich bekanntlich streiten, vor allem beim „emotionalen Thema Fußball“, wie Marketing-Experte Fassnacht sagt. mms, rea, oz

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