„Öffnet alle Türen“
Das erste Länderspiel nach dem Selbstmord von Robert Enke dient auch der Trauer-Bewältigung. Hier erklären Löw, Bierhoff und ein Psychologe, wie man den Tod des Kollegen verarbeitet.
DÜSSELDORF Seit kurzem wird auch beim DFB gezwitschert. Unter www.twitter.com kann man von der Pressestelle der Nationalelf Aktuelles rund um die Mannschaft erfahren - am Dienstag etwa, was es zum Mittagessen im „Hilton Hotel" Düsseldorf gab: "Fisch, leckere Pasta und zum Nachtisch Griesbrei." Außerdem konnte man am Montagabend erfahren: „Feierabend. Der Abend steht den Nationalspielern zu freier Verfügung.“ Sie hatten ja auch zu tun vorher. „Betriebsamkeit im Teamhotel. Am Nachmittag stehen zahlreiche Fotoshootings auf dem Programm der Spieler und Betreuer." Und das war gut so. Auf dem Weg zurück.
Zurück in den Alltag.
Egal wie schwer es wird, das erste Spiel seit dem Selbstmord von Nationaltorhüter Robert Enke am Dienstag vor einer Woche. „Das Trauer und die Ruhe waren wichtig, um innezuhalten und auch, um einige Werte zu überprüfen“, sagte Bundestrainer Joachim Löw. Teammanager Oliver Bierhoff ergänzte: „Die Mannschaft hat ehrliche, tiefe Trauer gezeigt. Wir haben schon seit Sonntagnachmittag nach der Trauerfeier in Hannover versucht, mit Hoffnung und Freude nach vorn zu schauen.“
Fußballer sagen das gerne, eine Floskel nach Niederlagen: „Wir müssen nach vorne schauen.“ Nie war der Spruch passender als heute. Das Motto: Zurück nach vorne.
So kann man das letzte Länderspiel des Jahres am Mittwoch in Gelsenkirchen gegen die Elfenbeinküste (20.45 Uhr, ARD live) als eine Art Gruppen-Therapie ansehen. Bierhoff berichtete, dass sich „die Stimmung langsam auflockert“ und hofft, dass die Mannschaft mit Elan und Freude spiele, weil das „wäre sicher auch Roberts Wunsch gewesen“.
Die gemeinsame Verarbeitung des Unfassbaren hatte in den letzten Tagen im Vordergrund gestanden - und dabei habe der DFB alles richtig gemacht, sagte Werner Mickler vom Psychologischen Institut der Deutschen Sporthochschule Köln der AZ: „Der Fall Robert Enke ist vergleichbar mit einem Trauerfall in der Familie. Die Person wird und sollte man nie vergessen, aber irgendwann muss man aufhören, über den Tod und die Frage nach dem Sinn nachzudenken. Man kann die Zeit nicht zurückdrehen. Das Leben muss weitergehen.“
Und was sollte Bundestrainer Löw nun seinen Spielern mit auf den Weg in das Spiel eins nach Robert Enke geben? Sportpsychologe Mickler: „Seine Aufgabe ist es, offen zu sein - für alle Spieler, für jedes Problem eines Spielers. Mein Rat an die Verantwortlichen: Öffnet alle Türen! Das Angebot muss immer da sein.“
Die DFB-Trainer könnten Hilfestellungen geben, die Verarbeitung läuft dann bei jedem Spieler individuell ab. „Der eine Spieler zeigt es nach außen, der andere ist in sich gekehrt - das wird man auch am Mittwoch im Stadion sehen", sagte Mickler. Der Tod von Enke könne dazu führen, dass „die Mannschaft nun eine ganz starke Gemeinschaft wird. Sie könnten sich sagen: Robert war ein Teil von uns, er hätte sich genauso für uns reingehängt. Also spielen wir für ihn.“
Nicht nur gegen die Elfenbeinküste, vor allem bei der WM 2010 in Südafrika.
Patrick Strasser