"Nummer eins in Europa"
Frankfurt/Main - "Ich hänge die Messlatte viel höher als früher, das ist für meine Spieler nicht immer einfach", sagte Löw der "Süddeutschen Zeitung". Trotz der großen Fortschritte in den vergangenen Jahren sei Deutschland nach Spanien und England derzeit noch die Nummer drei in Europa. "Das ist Fakt", sagte der 51-Jährige in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und schloss das klare Ziel an: "Wir wollen in Europa irgendwann auch sportlich die Nummer eins sein."
Vor allem durch die starken Auftritte bei der Weltmeisterschaft im Vorjahr in Südafrika, aber auch das Halbfinal-Aus gegen den späteren Weltmeister Spanien hat Löw eine neue Anspruchshaltung entwickelt. "Wenn Deutschland gegen Spanien spielt, ist die Qualität unglaublich hoch. So extrem wie höchstens noch in der Spitze der Champions League. Auf diesem Niveau bewegen wir uns mit der Nationalelf, das hat meine Ansprüche extrem steigen lassen", betonte der Chefcoach.
Löw hatte die DFB-Auswahl nach dem dritten Platz bei der Heim-WM 2006 von seinem einstigen Chef Jürgen Klinsmann übernommen und das Nationalteam als Bundestrainer zur Vize-Europameisterschaft 2008 und zum dritten WM-Platz 2010 geführt.
Nun will Löw mehr. "Der Bundestrainer hat recht, dass man den Titel angreifen sollte. Wir haben viele junge Spieler, die großes Potenzial haben. Darum beneiden uns viele Länder", sagte Nationalspieler Lukas Podolski, der selbst trotz 86 Länderspielen erst 25 Jahre alt ist. Alle seine EM-Kandidaten müssten sich schon mit Beginn der neuen Saison auf die EM in Polen und der Ukraine fokussieren, forderte Löw: "Kurz vor dem Turnier wäre zu spät."
Die Spieler sollen sich Gedanken machen, "wie sie die Saison gestalten, was die Ziele mit ihrem Verein sind, was es heißt, Nationalspieler zu sein, was es heißt, sich auf ein großes Turnier mit einem großen Ziel vorzubereiten", erklärte der Bundestrainer.
Löw will dabei noch stärker kontrollieren und eingreifen. "Wenn kein Fortschritt zu erkennen ist, dann reagiere ich", sagte der 51-Jährige. Ein halbes Dutzend seiner Südafrika-Fahrer hat Löw schon aussortiert und durch neue Talente ersetzt. Andere bekamen vom Freiburger klare Vorgaben. So erklärte er dem zuletzt oft verletzten HSV-Profi Marcell Jansen: "Du musst jetzt im Sommer ganz konsequent was für deine Fitness tun und dann eine Saison in Hamburg professionell durchziehen - oder wir müssen auf dich verzichten."
Auch die neuen Aufsteiger wie die Dortmunder Mats Hummels und Marcel Schmelzer oder der jetzt nachnominierte Schalker Benedikt Höwedes müssen erst beweisen, ob sie auf ganz hohem Niveau bestehen können. "Wir hatten bei der WM Glück, dass junge Spieler wie Neuer, Müller und vor allem Özil durchgestartet sind. Sie haben uns und der ganzen Welt gezeigt, welche Klasse sie haben. Dies müssen andere noch zeigen. Die Messlatte in der Nationalmannschaft liegt höher als in der Bundesliga", erklärte Löw in Frankfurt vor dem Länderspiel am Sonntag gegen Uruguay.
"Wir hatten noch nie die Auswahl von zehn bis zwölf überdurchschnittlich begabten Spielern. Aber wer kommt davon in die internationale Spitze? Dieser Weg ist steinig und relativ lang", bemerkte der Bundestrainer. "Die jungen Spieler haben noch wenig Erfahrung auf internationalem Weltklasseniveau", gestand André Schürrle, einer der Shootingstars der abgelaufenen Bundesligasaison.