Niederlande am Boden - Island und Wales vor Sensation
Frankfurt/Main - Die Szenen nach dem Schlusspfiff in Amsterdam brachten die gesamte Verrücktheit dieser EM-Qualifikation zum Ausdruck. Auf der einen Seite schlugen niederländische Stars wie Wesley Sneijder entsetzt die Hände vors Gesicht. Nur ein paar Meter weiter jubelten dafür Spieler wie Birkir Sævarsson oder Ari Skulason, die zumindest noch in Europa kaum jemand kennt.
Während Außenseiter wie Island und Wales die EURO 2016 in Frankreich schon so gut wie erreicht haben, droht der WM-Dritte dieses Turnier nach der 0:1-Pleite gegen Island und der Verletzung seines Kapitäns Arjen Robben mehr denn je zu verpassen. "Die ersten zwei Plätze sind weg. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass wir wenigstens noch die Playoff-Spiele erreichen", sagte der neue Trainer Danny Blind nach seinem "Horrorstart" (Daily Mail) als verantwortlicher Bondscoach.
Sollte der große Favorit der Gruppe A am Sonntag aber auch noch in der Türkei verlieren, wäre sogar Platz drei vorerst verspielt. Und ob Bayern-Star Robben mithelfen kann, dieses Schreckensszenario zu verhindern, ist äußert fraglich. Der 31-Jährige wurde gegen Island mit Rückenproblemen ausgewechselt, die auch noch in die Leistengegend ausstrahlten. Am Freitag flog er zur Behandlung nach München zurück. "Es ist für mich völlig unverständlich. Ich war wirklich fit und kann daher kaum glauben, dass das passiert ist", meinte er.
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Gegen Island ging für die Niederländer "alles schief, was nur schiefgehen kann" (Telegraaf). Nach einer halben Stunde musste Robben raus, zwei Minuten später sah Bruno Martins Indi die Rote Karte (33.), kurz nach der Pause schoss der frühere Hoffenheimer Gylfi Sigurdsson per Foulelfmeter das 0:1 (51.). Schon das Hinspiel gewann die Mannschaft des schwedischen Trainers Lars Lagerbäck mit 2:0. Seitdem hat keine einzige Maßnahme des umfangreichen holländischen Krisenmanagements auch nur irgendetwas eingebracht. Blind löste den erfolglosen Guus Hiddink als Trainer ab, Robben den alternden Robin van Persie als Kapitän. Die Hoffnung ist nun, dass der nächste Gegner noch nervöser ist als es die "Oranjes" selbst sind. Durch ein Gegentor in letzter Minute beim 1:1 gegen Lettland ließ die Türkei erneut die große Chance liegen, in der Tabelle an den Holländern vorbeizuziehen.
An der Spitze ist dagegen alles überraschend klar: Island hat vor den letzten drei Spielen acht Punkte Vorsprung auf Platz drei. Verfolger Tschechien nach dem 2:1 gegen Kasachstan immer noch sechs. "Jetzt kann ich, gemeinsam mit Tausenden anderen Isländern, nach Hotels in Frankreich suchen und reservieren", schrieb ein Autor der Zeitung "Morgunbladid". Ein weiterer Sieg am Sonntag gegen Kasachstan - und die erste EM-Teilnahme überhaupt ist perfekt. "Alles, was ich sagen kann, ist herzlichen Glückwunsch, Jungs - und Island als Ganzes", schrieb Regierungschef Sigmundur Davíð Gunnlaugsson bei Facebook.
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In der Gruppe B kann Tabellenführer Wales am Sonntag mit einem Heimsieg gegen Israel ebenfalls schon alles klarmachen. 90-Millionen-Mann Gareth Bale von Real Madrid schoss sein Team am Donnerstag zu einem 1:0 auf Zypern. Der Hintergrund dieses Erfolgs ist ein ähnlicher wie auf Island: Einige wenige Stars wie Bale oder Aaron Ramsey (FC Arsenal) ziehen mit ihrer Erfahrung aus Europas Top-Ligen alle anderen mit. Außerdem ist die ansonsten umstrittene Aufstockung der EM auf 24 Teilnehmer zumindest für kleine Teams ein riesen Ansporn: Die Chance, dabei zu sein, war noch nie so groß.
Verglichen mit den Problemen der Niederländer geht es dem EM-Zweiten Italien auf Platz eins der Gruppe H noch gut. Doch zufrieden war damit nach dem 1:0 gegen Malta niemand. "Was für ein schlimmes Italien...", titelte die "Gazzetta dello Sport" nach einem mühsamen Erfolg, der nur durch ein Hand-Tor von Stürmer Graziano Pellè zustande kam. Das sei "eine der schlechtesten Nationalmannschaften aller Zeiten", urteilte das Italiens Fußball-Bibel nach einem ideenarmen Auftritt vor nur 13 000 Zuschauern in Florenz.
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