Mythos Wembley: DFB-Frauen vor Final-Highlight am Schicksalsort

London - Es gibt sie, diese Sehnsuchts- und Schicksalsorte voller Mystik, Mythos und Magie, bei denen allein die Erwähnung des Namens ein Kopfkino auslöst: Wembley gehört zweifellos dazu.
Für die deutschen Fußball-Fans ist das Wembley-Stadion in erster Linie mit dem berühmtesten Phantomtor der Geschichte verbunden. Als Geoff Hurst am 30. Juli 1966 im WM-Finale gegen Gastgeber England den Ball an die Unterkante der Latte drosch, dieser aber - vor, nicht hinter der Linie - wieder aufsetzte. Der Schweizer Referee Gottfried Dienst entschied nach Konsultation mit dem sowjetischen Linienrichter Tofiq Bahramov auf Tor - 3:2. Am Ende siegten die "Three Lions" 4:2 nach Verlängerung, das Mutterland des Fußballs holte damit seinen ersten und - was die Engländer so gar nicht gerne hören - einzigen großen Titel.

DFB-Frauen wollen England ins Tal der Tränen stürzen
56 Jahre ist das her, jetzt sollen es die Frauen besser machen als die Männer, die sich bei der EM 2021 im Finale Italien im Elfmeterschießen (was sonst!) beugen mussten. Die Engländer schlichen mit blutenden Herzen und tränenden Augen vom fast so heiligen Rasen wie im Wimbledon vom Wembley-Spielfeld.

Ein Anblick, den die deutschen Frauen auch gern erleben würden. Sie, die als großen Außenseiterinnen in die EM gestartet waren, haben am Sonntag (18 Uhr, ARD und DAZN) die Chance, sich vor den Augen von Prinz William und Bundeskanzler Olaf Scholz auf den Fußball-Thron Europas zu katapultieren und die Fußball-Nation England im tiefen Tal der Tränen verharren zu lassen.
Alexandra Popp soll zur Löwenbändigerin werden
Englands Spielerinnen, die Löwinnen, sind gewarnt. "Finale, das war unser Traum - den haben wir uns erfüllt. Kein Schwein hat mit uns gerechnet", sagte Alexandra Popp. Die Torjägerin hatten die deutschen Fußballerinnen mit zwei Toren (40./76.) beim 2:1 gegen Frankreich ins Traumfinale geführt und ihr Konto auf sechs Treffer erhöht hatte "Wir haben so Bock auf das Finale."
Übrigens: Popp ist gelernte Zootierpflegerin, wird in England von der "Times" schon als Löwenbändigerin beschrieben. Soll sie ihren Job erledigen!
Beckenbauer überzeugt: "Unsere Frauen holen den Wembley-Titel!"
Die Engländerinnen sind auf einer Mission. Schließlich will man das Trauma beenden und der Nation endlich fußballerische Triumphgefühle schenken. "Die Zeit ist reif", befand Ex-Nationalspielerin Karen Carney im "Mirror": "Der nächste Schritt für uns ist, das Ding zu gewinnen."
Doch Kaiser Franz Beckenbauer, Weltmeister als Spieler (1974) und Trainer (1990), glaubt an einen deutschen Triumph, dass Wembley ein Schicksalsort bleibt, dass Deutschland sich - wie im EM-Frauen-Finale 2009 (6:2!) wieder durchsetzen wird. "Unsere Frauen holen den Wembley-Titel. Aber es wird nicht leicht", sagte er in "Bild".
Als Didi Hamann England den Wembley-Abschied verdarb
Wembley, immer wieder Wembley. Neben dem WM-Finale und Phantomtor 1966 war das ehrwürdige Londoner Stadion schon Austragungsort vieler denkwürdiger Partien. Unvergessen aus deutscher, gerne ignoriert aus englischer, Sicht: Am 29. April 1972 besiegte die deutsche Nationalmannschaft in Wembley im EM-Viertelfinale England mit 3:1. Es war der erste Sieg einer deutschen Mannschaft in England überhaupt. Deutschland holte sich danach den EM-Titel.

Oder der 7. Oktober 2000. Da wurde zwischen England und Deutschland das letzte Spiel im alten Wembley-Stadion ausgetragen, Didi Hamann verdarb den Engländern und den 76.377 Fans in der Arena mit dem 1:0 die Abschiedspartie kolossal. Danach wurde das Stadion abgerissen - Spötter behaupten bis heute, die Niederlage war der Grund dafür.
England zittert vor zweiter Final-Niederlage im Wembley innerhalb eines Jahres
Ein Datum, das in den englischen Geschichtsbüchern dick angestrichen ist: 29. Juli 2021. Bei der paneuropäischen EM besiegten Harry Kane & Co. nicht nur die DFB- Elf 2:0, sondern auch das Deutschland-Trauma. Die Pleite bedeutete zugleich das Ende der Ära von Bundestrainer Jogi Löw.

England marschierte bis ins Finale, doch da schlug eben der Wembley- und Elfer-Fluch zu. Italien konnte feiern und die Engländer wieder nur weinen (und randalieren).
Und jetzt? Die deutschen Frauen wollen in Wembley den neunten EM-Titel nach 1989, 1991, 1995, 1997, 2001, 2005, 2009 und 2013 holen, die englischen Löwinnen träumen vom Debüt-Titel. "Es ist das Traumfinale. Es werden ganz viele Fans im Stadion gegen uns sein, und hoffentlich auch ein paar für uns", sagte Bundestrainerin Voss-Tecklenburg. Und Popp meinte kämpferisch-forsch: "Wir wollen Wembley zum Schweigen bringen."