Mal wieder ein Pöbel-Abschied

Sind diese Franzosen schwer erziehbar? Nach dem Aus gegen Spanien wird Edeltalent Nasri ausfällig. Erinnerungen an 2010.
Frank Hellmann |
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Sind diese Franzosen schwer erziehbar? Nach dem Aus gegen Spanien wird Edeltalent Nasri ausfällig. Erinnerungen an 2010

Donezk - Vielleicht hätte sich Samir Nasri einfach Franck Ribéry zum Vorbild genommen. Der Bayern-Star hatte gezeigt, wie der viele Frust kanalisiert werden kann. In der Massensauna der Donbass-Arena herumspazieren, die Schuhe ausziehen, sich ein spanisches Trikot sichern und nichts wie ab unter die Dusche. Auf dem Weg zum Mannschaftsbus der französischen Nationalmannschaft, an dem der Spruch „Une nouvelle histoire, un nouveau rêve, un même but!" (Eine neue Geschichte, ein neuer Traum, ein gemeinsames Ziel!) lackiert ist, bloß nicht anhalten. Ribéry hat es geschafft, ohne ein falsches Wort zu entkommen; was vielleicht dem Umstand geschuldet ist, dass der 29-Jährige mit dem Münchner Arbeitgeber schon viel Übung im Umgang mit Nackenschlägen in entscheidenden Duellen hatte.

Der fünf Jahre jüngere Nasri hat sich die Mühe der Selbstbeherrschung nicht gemacht, sondern nach dem Viertelfinal-Aus gegen Spanien in der Mixed Zone noch einen Skandal produziert: Der aus der Startelf verbannte Mittelfeldspieler wütete dabei gegen einen Journalisten der Nachrichtenagentur AFP.

Auf die Bitte des Reporters um „eine Stellungnahme” fing er bereits an zu zetern, es würde immer nur „Scheiße” geschrieben. Als der Reporter ihn daraufhin wüst zum Verschwinden aufforderte, bot der Profi von Manchester City erst an, die Dinge draußen zu regeln und verlor dann endgültig die Kontrolle über sich. „F... dich selber in den A..., geh deine Mutter f...”, pöbelte der eingewechselte Nasri und bezeichnete den Journalisten als „Hurensohn”.

Nasri, 35-facher Nationalspieler, nutzte für seine Tirade eine Gossensprache, mit der er früher im Quartier Gavotte Peyret von Marseille vielleicht seinen Alltag meisterte, die jedoch für einen Dialog mit den Berichterstattern bei einer EM nicht angebracht ist. Fast wortgleich fielen jene Sätze, mit denen bei der WM 2010 der Rebell Nicolas Anelka den damaligen Trainer Raymond Domenech im südafrikanischen Küstenort Knysna beleidigt hatte.

Nasri ist nicht irgendwer; der Edeltechniker gilt als eines der größten Talente Frankreichs. Sein Mentor ist Zinedine Zidane – Nasris Verfehlung am 40. Geburtstag des Idols steht exemplarisch für den Werteverfall bei der Grande Nation. „Für Nasris Image ist das sehr schlimm, aber auch für das der Mannschaft", sagte Trainer Laurent Blanc am Tag danach. „Wenn das die Realität ist, ist das eine Respektlosigkeit gegenüber dem Journalisten."

Der bedächtige Monsieur hat längst registriert, dass ihm die einende Kraft für diese Rasselbande fehlt; dass viele seiner Jungstars den Bezug zum realen Leben verloren haben; weil sie falschen Versprechungen erliegen; weil sie mit dem frühen Reichtum nicht umgehen können. Die Unreife spiegelt sich auf dem Platz wieder, verängstigt nahm die chancenlose, weil hilflose Équipe Tricolore das Ausscheiden in Donezk hin. Spielkultur und Streitkultur – beides bewegte sich auf unterstem Niveau.

Dabei hat Blanc als Leitfigur verhindern sollen, dass sich die französischen Elitefußballer als egozentrische Selbstdarsteller gebärden, die beim ersten Unmut wie gallische Hähne übereinander herfallen. Gut möglich, dass nun der 46-Jährige keine Lust verspürt, diese kaum erziehbare Zweckgemeinschaft durch die WM-Qualifikation zu manövrieren, in der erneut Spanien der Gegner sein wird. Nur durch einen Rücktritt kann er seiner Entlassung entgehen.

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