Kevin allein nach Haus
Kevin Kuranyi hat bei Joachim Löw keine Zukunft mehr in der der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Der Stürmer verließ während des Länderspiels das Stadion und fuhr nach Hause. Löw will ihn nicht mehr nominieren.
Es war ein herrlicher Abend für Joachim Löw. Der Bundestrainer saß in Dortmund auf der Bande, ließ die Beine baumeln – und beobachtete das großartige 2:1 seines Teams gegen die Russen. Er sah schöne Tore von Lieblingsstürmer Lukas Podolski und Kapitän Michael Ballack. Er sah ein Mittelfeld, das ohne Torsten Frings glänzte. Er sah im Tor den überzeugenden Debütanten René Adler. Er sah, dass sein Team sogar unter Druck ein 2:1 gegen einen starken Gegner halten kann.
Wie gesagt, ein herrlicher Abend – und eine ereignisreiche Nacht. Denn gegen ein Uhr, nach der Rückkehr ins Düsseldorfer Mannschaftshotel „Hilton“, verbannte Löw Kevin Kuranyi aus der Nationalmannschaft. Gestern erklärte Löw: „So wie Kevin reagiert hat, kann ich das nicht akzeptieren und werde ihn deshalb in Zukunft nicht für die Nationalelf nominieren.“ Wie Kevin reagiert hat?
Kuranyi, beleidigt aufgrund seiner Nichtnominierung in den Kader, hatte sich während der Partie – er verfolgte das Spiel von der Tribüne aus – aus dem Staub gemacht. Und so seine DFB-Karriere beendet, nach 52 Länderspielen und 19 Toren. Wie es dazu gekommen ist?
Bereits am Samstagnachmittag reagiert der 26-Jährige extrem enttäuscht, als er von Bundestrainer Löw in der Mannschaftsitzung erfährt, dass er – genau wie Klubkollege Jermaine Jones – nicht zum 18er-Kader zählen wird. Die Reise nach Dortmund tritt Kuranyi dennoch an. Neben Jones nimmt er im Westfalenstadion in Block 43, Reihe 3, Platz 38 Platz. In der Halbzeitpause bittet er jedoch darum, die zweite Hälfte mit einem Freund von der Haupttribüne aus ansehen zu dürfen. Kuranyi verschwindet – und bleibt bis auf weiteres unerreichbar.
Ein Affront! Alle Versuche, Kuranyi anzurufen, scheitern. Gegen 23 Uhr fährt der Teambus ohne Kuranyi ab. Zurück im Mannschaftshotel in Düsseldorf, trifft der DFB-Tross auf zwei Freunde des Angreifers, die Teammanager Oliver Bierhoff darum bitten, die persönlichen Sachen des Kumpels abholen zu dürfen. Bierhoff erteilt die Erlaubnis. Nur Minuten später entscheiden er und Bundestrainer Löw: Kuranyi ist raus! Für immer.
Tatsächlich, so erklärt Kuranyis Berater Roger Wittmann am Sonntag, ist der Angreifer nach Gelsenkirchen gefahren: „Er hat keine goldenen Löffel geklaut, sondern ist nur nach Hause gefahren.“ Kevin allein nach Haus – und raus!
Eine harte Entscheidung von Löw, die DFB-Präsident Theo Zwanziger gestern jedoch abgesegnet hat: „Löw hatte keine andere Wahl. Ich habe ihm gesagt, dass ich seine Entscheidung hundertprozentig mittrage.“ Über das Verhalten Kuranyis sei er sehr enttäuscht, so Zwanziger. Sogar Berater Wittmann räumt ein, dass man das hätte besser machen können, „aber der Mensch Kuranyi spielt auch eine Rolle – und der hat so entschieden.“ Vielleicht auch, weil der Frust tief sitzt? 2006, vor der Heim-WM, hat ihn der damalige Bundestrainer Klinsmann überraschend aus dem Kader gestrichen.
jos