Italiens Titel-Party mit Tränen und Magie

Italien ist drei Jahre nach der verpassten WM 2018 zurück auf Europas Fußball-Thron. Gefeiert wird die Wiederauferstehung der Squadra Azzurra mit Tränen, Dankbarkeit und Stolz.
Von Miriam Schmidt, Jan Mies und Nils Bastek, dpa |
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Am Ende hat die Fahrt durch Rom mit dem offenen Doppeldecker für Italiens Europameister doch geklappt.
Am Ende hat die Fahrt durch Rom mit dem offenen Doppeldecker für Italiens Europameister doch geklappt. © Gregorio Borgia/AP/dpa
Rom

Mit goldener Krone auf dem Kopf reckte Kapitän Giorgio Chiellini vor den Fans in Rom im Morgengrauen stolz den EM-Pokal in die Höhe.

Nach der "unvergesslichen Nacht" von London, wie die "Gazzetta dello Sport" titelte, wurden Italiens Fußball-Europameister in der Heimat von Tausenden jubelnden Fans empfangen. "Wir haben Geschichte geschrieben, genießen wir es", forderte Chiellini und gab nach dem Rückflug in der Nacht den Plan vor: "Jetzt wollen wir mit allen Italienern feiern." Der müde Trainer Roberto Mancini verabschiedete sich mit Sonnenbrille zunächst für einige Stunden zu seiner Familie, um dann zum Empfang beim italienischen Regierungschef zurückzukehren. "Wir können noch nicht begreifen, was wir geschafft haben", sagte er.

Italien meldet sich eindrucksvoll zurück

Nicht nur bei Mancini flossen in der Nacht Freudentränen. Mit einem hochdramatischen 3:2 im Elfmeterschießen gegen England krönte sich Italien im Londoner Wembley-Stadion zum zweiten Mal nach 1968 zum Europameister - und meldete sich gleichzeitig nach der verpassten WM 2018 eindrucksvoll auf der großen Bühne zurück. "Wir haben daran geglaubt", sagte Verteidiger Leonardo Bonucci, der sein Team mit dem Treffer zum 1:1 (67. Minute) ins Elfmeterschießen gebracht hatte. "Die große Schande von 2018 ist fast vergessen", meinte der "Corriere dello Sport", und "Tuttosport" schrieb trotzig: "Vor drei Jahren wurden wir von der Welt verstoßen, jetzt sind wir Europameister."

Die wundersame Wiederauferstehung der Squadra Azzurra ist eng mit dem Namen Mancini verknüpft. "Der Trainer hat uns gezeigt, dass wir etwas Außergewöhnliches schaffen können, wenn wir daran glauben", sagte Bonucci. "Dieser Sieg ist der Beweis, dass man immer daran glauben muss. Auch wenn man ganz unten ist." Für den Coach war der Triumph von London auch eine persönliche Genugtuung, nachdem er als Spieler unter anderem bei der WM 1990 den Titel verpasst hatte. "Wir hatten damals Pech, heute hat sich ein Kreis geschlossen", sagte der 56-Jährige. "Etwas hat das Schicksal mir wohl geschuldet."

34 ungeschlagene Spiele in Serie

Nach dem Triumph weinte Mancini in den Armen von Delegations-Chef Gianluca Vialli, mit dem ihm eine lange Freundschaft mit Höhen und Tiefen verbindet. Nach der Siegerehrung ging er mit Medaille um den Hals ein paar Schritte nachdenklich über den Rasen, gemeinsam mit Torschütze Bonucci schoss er dann ein kurzes Erinnerungs-Selfie. "Mancinissimo", titelte die "Gazzetta dello Sport".

Mancini hat eine Mannschaft geformt, die sich mit Offensivdrang und Mut, vor allem aber mit einem besonderen Teamgeist gegen alle Widerstände zum EM-Titel gekämpft hat. "Wir haben gespürt, dass etwas Magisches in der Luft lag", sagte Chiellini. Sein kongenialer Partner in der Innenverteidigung, Bonucci, ergänzte: "Wir haben immer noch eine verrückte Lust, als Team zusammen zu sein. Das ist unglaublich." 34 ungeschlagene Spiele in Serie und der erste große Titel für Italien seit dem WM-Triumph 2006 in Deutschland sind der Lohn.

Der Spirit der Mannschaft zeigte sich auch bei der Siegerehrung: Der erste, der seine goldene Medaille entgegennehmen durfte, war Leonardo Spinazzola. Der Linksverteidiger, der sich im Viertelfinale einen Riss der Achillessehne zugezogen hatte, war während der Party mit Gipsbein stets mittendrin - meistens huckepack bei einem seiner Teamkollegen. "Olé, olé, Spina, Spina", skandierte die Mannschaft bei der Titel-Sause vor der italienischen Fankurve im Wembley-Stadion.

Bonucci und Chiellini als Anführer

Angeführt wurde die Mannschaft vom 36 Jahre alten Chiellini und dem zwei Jahre jüngeren Bonucci, die in der Squadra Azzurra mit dem verlorenen EM-Finale 2012 und der verpassten WM 2018 schon so manchen Rückschlag hinnehmen mussten. "Wir haben es geschafft, ein ganzes Volk glücklich zu machen, das ist legendär. Es ist das Schönste, was existiert", schwärmte Bonucci, der ein Foto aus dem Hotel von sich und Chiellini postete - den silbernen Pokal im Bett zwischen den beiden: "Keine Angst, er wird gut schlafen. Wir passen auf ihn auf", lautete der Text dazu. Nur vier Gegentore ließen die Verteidiger im Turnierverlauf zu und waren damit die Basis für die Titel-Krönung.

Großen Anteil daran hatte auch Keeper Gianluigi Donnarumma, der im Elfmeterschießen sowohl im Halbfinale gegen Spanien als auch im Endspiel der gefeierte Held war und zum besten Spieler des Turniers gewählt wurde. "Ich war sicher, dass er einen Elfmeter halten würde. Er ist der beste Torhüter der Welt", lobte Mancini. Der Keeper selbst sagte um Worte ringend: "Wir waren spektakulär, wir waren grandios."

Erst 22 Jahre ist Donnarumma alt und damit wie viele seiner Teamkollegen auch ein Versprechen für die Zukunft des italienischen Fußballs. Mancini hat seinen Vertrag langfristig bis 2026 verlängert, die WM im kommenden Jahr in Katar ist das nächste große Ziel der Azzurri. So weit wollte Mancini aber inmitten des großen Jubels noch gar nicht vorausblicken, erst einmal genoss der Coach den Moment: "So etwas Schönes habe ich noch nie erlebt", sagte er sichtlich gerührt. "Der Pokal ist nach 1968 zurück in Italien, das ist unglaublich."

© dpa-infocom, dpa:210712-99-347202/7

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  • Max Merkel am 12.07.2021 19:13 Uhr / Bewertung:

    Das war ja auch bloß wieder so ein Rumgeschiebe(nur keinen Fehler machen). Ich bin wieder mal eingeschlafen, aber zum Glück genau zum Elferschießen wieder aufgewacht. Ich hab das Gefühl die Mannschaften legen es ALLE auf ein Elfmeterschießen an. Dann bitteschön SOFORT die Regeln ändern. Ab sofort kein Spiel mehr über 90 Minuten oder länger. Stattdessen 30 Minuten Elfmeterschießen. Wer in diesem Zeitraum mehr Elfer verwandelt hat, hat gewonnen.

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