Gernot Rohr: "Die EM hat uns Mut gemacht"
Ex-Fußballer Gernot Rohr im AZ-Interview: Der 63-jährige Deutsch-Franzose spielte von 1977 bis 1989 bei Girondins Bordeaux, trainierte anschließend mehrere Klubs in Frankreich. Derzeit ist er Nationaltrainer in Nigeria.
AZ: Herr Rohr, als Nationaltrainer Nigerias sind Sie gerade in Afrika unterwegs, wie und wo feiern Sie Weihnachten?
GERNOT ROHR: In der Familie natürlich. Das versuche ich trotz des Fußballs immer zu organisieren. Ich habe eine Familie in Mannheim mit meiner 94 Jahre alten Mutter und meinen Brüdern. Und meine Familie bei mir zu Hause in Cap Ferret bei Bordeaux. Meine Frau kommt aus Madagaskar. Dieses Jahr sind wir über Weihnachten mit unserer sechs Jahre alten Tochter und unserem vier Jahre alten Sohn dort.
Wie läuft das ab?
Das wird ganz anders. Dort wird Weihnachten mit sehr viel Freude, Gospel-Gesang, Musik und Tanz gefeiert – afrikanisch eben. In Madagaskar ist auch gerade Sommer, mit warmen Temperaturen, Meer und Sonne. Die Kinder können schwimmen gehen. Weihnachten ist dort nicht so besinnlich wie in Deutschland. Schon auch sehr festlich, aber eben lustiger. Aber ich liebe auch das deutsche Weihnachtsfest und werde im nächsten Jahr wieder bei meiner Mutter feiern.
Ihre beiden erwachsenen Söhne sind in Bordeaux geblieben?
Ja, mit den beiden feiern wir nach, wenn wir wieder zurückkommen.
Mit Tannenbaum statt Palme?
Der steht schon seit dem 6. Dezember, wie überall in Frankreich.
Ihre Kinder wachsen also auch mit europäischen Weihnachtstraditionen auf. Auch mit deutschen?
Klar. Meine Tochter hat jetzt das erste kleine Liedchen gelernt: "Sainte nuit! A minuit!", also "Stille Nacht, heilige Nacht".
Haben Sie einen besonderen Wunsch zu Weihnachten?
Ich wünsche mir Frieden. In diesem Wort steckt alles drin. Zuallererst Frieden auf der Welt, Frieden in der Familie, Frieden in den fußballerischen Dingen, in der Arbeit und so weiter.
Wie schauen Sie auf die Europameisterschaft in Ihrer Wahlheimat zurück, hat sie Frankreich wieder positiv verändert?
Man sollte sich mal daran erinnern, was vor dem Turnier alles passiert ist, an die Unruhe und die Zweifel. In diesem Kontext war es eine schöne EM, in Sicherheit und ohne größere Zwischenfälle. Die Franzosen standen begeistert hinter ihrer Mannschaft, die das Finale dann leider verloren hat, aber sie waren vereint in ihrer Unterstützung. Als Deutsch-Franzose war ich auch stolz auf die deutsche Mannschaft. Die Europameisterschaft bleibt hier in guter Erinnerung.
Die EM war also ein Mutmacher für Frankreich?
Ja. Man konnte mal wieder an schöne Dinge denken und ein bisschen feiern. Gerade der Sieg gegen Deutschland wurde hier gefeiert, als wäre es schon der EM-Sieg gewesen. Da war der emotionale Sturz nach dem verlorenen Finale natürlich sehr tief. Nach der EM wurde das Land wieder von seinen Problemen eingeholt. Die Wirtschaftskrise ist noch nicht überstanden. Die politischen Dinge überstürzen sich ja auch: Es steht ein Wahljahr vor der Tür und Präsident François Hollande wird nicht mehr antreten.
Am 13. November erlebte Frankreich den ersten Jahrestag der Terroranschläge von Paris. Der Bataclan, der Club, in dem die meisten Menschen ums Leben kamen, wurde kürzlich wiedereröffnet. Hat sich das Leben in Paris und Frankreich wieder etwas normalisiert?
Die Franzosen haben schnell versucht, das normale Leben wieder aufzunehmen, ihre Freude und ihre Lebenslust wiederzufinden. Man weiß, dass inzwischen überall etwas passieren kann. Aber Frankreich ist für seine Lebensphilosophie bekannt, das Leben trotz allem so gut wie möglich zu gestalten und zu genießen. Gott sei Dank ist der Fußball immer da und bringt immer die Freude. Das ist auch bei mir und meiner Arbeit in Afrika so.
Mit Nigeria sind Sie mit zwei Siegen in die WM-Qualifikation gestartet. Würden Sie sich bei der WM 2018 ein Duell mit Frankreich oder Deutschland wünschen?
Das wäre wunderbar. Ich würde aber schon vorher gern ein Freundschaftsspiel gegen Deutschland machen. Oder auch gegen die Bayern. Warum nicht? Die mentale Stärke der Mannschaft ist verbesserungsfähig. Das ist bei afrikanischen Teams oft so, in Sachen Disziplin, Taktik und der Gehorsamkeit allgemein. Meine Spieler könnten viel von deutschen Teams lernen.
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