England mal wieder am Boden: "Das ist so frustrierend"
Rio de Janeiro - Schon vor der Entscheidung über das WM-Schicksal Englands hatte die Fußball-Nation das Urteil über die glücklosen Three Lions gefällt.
Mit Häme, Spott und Ärger reagierten die Medien auf die zweite Pleite in Brasilien und forderten die Ablösung von Nationaltrainer Roy Hodgson. "Netter Kerl, falscher Trainer: Hodgson muss nach irrem neuen Tiefpunkt entlassen werden", schrieb die "Daily Mail" am Morgen nach der nächsten Enttäuschung. Das 1:2 gegen Uruguay durch zwei Tore von England-Legionär Luis Suarez riss die hochgelobten Stars um Wayne Rooney aus allen Träumen.
Mit leerem Blick und Händen in den Hosentaschen sprach Steven Gerrard das aus, was alle im englischen Lager dachten: "Das ist so frustrierend", sagte der 34-Jährige. "Wir sind in diesem Turnier an einem Punkt angekommen, an dem wir nie stehen wollten." Ob er dem Team über die WM hinaus zur Verfügung steht, ließ er offen. "Ich denke, dass ich den Schmerz und das Gefühl wegschieben muss und schaue, was die nächsten vier oder fünf Tage passiert", sagte der Mittelfeldspieler vom FC Liverpool.
Noch nie hat eine Mannschaft nach einem Start mit zwei Niederlagen noch die nächste Runde erreicht. Spieler und Trainer sprachen mit derart hängenden Köpfen über diese theoretische Option, als würden sie selbst nicht mehr daran glauben. "Unsere Chancen sind sehr gering", meinte Hodgson. Auch der "Daily Star" titelte am Freitag: "Jetzt brauchen wir ein Wunder". Und der "Daily Mirror" analysierte erbarmungslos: "Grausam in der Abwehr, jämmerlich im Mittelfeld. Sorry Roy, das ist Müll."
Die beiden Symbolfiguren für diesen bitteren K.o. hießen Gerrard und Wayne Rooney. Der Stürmerstar von Manchester United schoss nach all der Kritik in den vorangegangenen Tagen endlich das erste WM-Tor seiner Karriere (75.). Doch sein Pech war, dass Uruguays Torjäger Luis Suárez vom großen Rivalen FC Liverpool wie schon so oft in der abgelaufenen Premier-League-Saison noch ein wenig erfolgreicher war: Suarez traf gleich zweimal - in der 39. und 85. Minute. Und Rooney war danach so enttäuscht, dass er kommentarlos von der Kabine in den Mannschaftsbus schlich. "No, sorry", sagte er den Journalisten nur.
Gerrard hatte zum entscheidenden zweiten Tor von Suárez die unfreiwillige Vorarbeit geleistet. Er lenkte den Ball mit dem Hinterkopf unglücklich weiter. Dafür konnte der Routinier zwar wenig, aber nach der schon schwachen Vorstellung beim WM-Auftakt gegen Italien (1:2) weckte auch dieser Abend traurige Erinnerungen an die vergangene Club-Saison.
Es war ein Fehler von Gerrard, der dem FC Liverpool im Spiel gegen Chelsea die entscheidende Niederlage im Meisterschaftsrennen einbrachte. "Auf diesem Level darfst du einem Weltklasse-Spieler wie Suárez nicht eine einzige Chance ermöglichen", sagte er geknickt. "Wir können die Rolle von Gerrard nicht ignorieren", schrieb der "Telegraph" über den sonst stets sakrosankten Kapitän. "Zeit für eine neue Generation."
Gerrard und Rooney haben nun in zwei verschiedenen Epochen englische Fußballer zu einer WM geführt. Sie liefen dem Titel schon im Verbund mit John Terry, Paul Scholes oder Rio Ferdinand vergeblich hinterher und drohen nun auch an der Seite der neuen Jungstars wie Raheem Sterling und Daniel Sturridge zu scheitern. Diese Altersklasse weckt in England wieder große Hoffnungen, aber Hodgson sagte nur: "Niemand kann die Einstellung der Spieler ernsthaft infrage stellen, aber wir waren nicht gut genug, um diese beiden Spiele zu gewinnen. Im Fußball zählt nicht, wie häufig du den Ball in den Strafraum bringst, sondern ins Netz."
Nach seinem Scheitern beim FC Liverpool mehren sich die Stimmen, dass der 66-Jährige womöglich auch für den Job des Nationaltrainers zu altbacken und innovationslos sein könnte. Ein versöhnliches WM-Ende gegen Costa Rica könnte Hodgson angesichts der fehlenden Alternativen auf dem englischen Trainermarkt noch retten, freiwillig gehen will er nicht. "Natürlich bin ich bitter enttäuscht, aber ich sehe keine Notwendigkeit, zurückzutreten. Sollte der Verband allerdings denken, dass ich nicht der richtige Mann bin, ist das seine Entscheidung, nicht meine", erklärte er. Gerrard lobte den Coach und betonte, die Mannschaft sei für das Abschneiden verantwortlich.
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